Gefaehrliche Tiefen
Gehäuse für die Kamera mitzunehmen. Und ihre Schnorchelausrüstung hatte sie auch nicht dabei. Nach der Menge Wein, die sie am Abend zuvor getrunken hatte, betrachtete sie es ohnehin als ein Wunder, noch reden und laufen zu können.
Eduardos Blick war auf die Teva-Schuhe an seinen FüÃen gerichtet, die auf dem Sand unter dem seichten Wasser standen. Er wirkte so ausgelaugt, wie Sam sich fühlte. Vermutlich hatte er ebenfalls einen Kater.
»Wie ich sehe, hat Paige Sanders sich heute entschlossen, den Ausflug mitzumachen«, sagte sie zu ihm. »Jon erweckt nicht den Eindruck, als würden ihm diese Ausflüge Spaà machen.«
Eduardo zuckte mit den Schultern. »Der Kapitän hat mir erzählt, dass Mr Sanders schon mal hier war.«
Seltsam. »Wieso macht er die Kreuzfahrt dann noch mal?«
Eduardo wandte ihr das Gesicht zu. Seine Augen waren blutunterlaufen. »Seine Frau Paige ist neu.«
Sam musste daran denken, wie respektvoll der Kapitän und der erste Maat die Sanders begrüÃt hatten und wie Jon spät am Abend mit dem Kapitän zusammen getrunken hatte. »Sanders scheint ein bedeutender Mann zu sein.«
Eduardo nickte. »Ein reicher Mann.«
Ein reicher Mann, der mit Kapitän Quiroga befreundet zu sein schien, obwohl man sich nur schwer vorstellen konnte, was die beiden verband. Sam beschloss, später ein paar Erkundigungen über Sanders einzuziehen.
Maxims laute Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Er stand bis zur Hüfte im Wasser, inmitten der Lagune, und hatte seine Taucherbrille hochgeschoben. Sam verstand nur den Namen
Roberson
. Fragend streckte Maxim die Hände aus. Offensichtlich suchte er nach Jerry oder Sandy.
Eduardo deutete auf eine Felsformation, die auf der Ostseite der Bucht aus dem Wasser ragte, und brüllte: »
Por las rocas
!«
Maxim nickte und zog die Taucherbrille wieder vor die Augen. Bevor Brille und Schnorchel den Gesichtsausdruck des jungen Führers verbargen, konnte Sam noch erkennen, dass er Eduardo mit fest zusammengepressten Lippen böse ansah. »Ist Maxim wütend auf dich, Eduardo?«
Eduardo sah seinem jüngeren Kollegen hinterher, der jetzt auf die Felsen zuschwamm. Er seufzte. »Wenn jemand in deiner Reisegruppe stirbt, verlierst du eventuell den Job, verstehst du? Ich werde in einem Monat pensioniert, als erster Naturführer auf den Galapagosinseln, der volle dreiÃig Jahre gearbeitet hat. Ich bin der Erste, der eine Pension bekommt.« Er vollführte eine Bewegung mit dem FuÃ, um eine kleine Krabbe zu verscheuchen, die sich unter Wasser seinen Zehen näherte. »Maxim ist erst seit zwei Jahren Führer. Er hat Angst um seinen Ruf.«
Sam schwieg einen Moment, dann fragte sie: »Eduardo, hältst du es für möglich, dass irgendjemand hier Dan umbringen wollte?«
Eduardos Kopf schoss herum, als hätte sie ihn geschlagen. »Wer will ihn töten?«
Jetzt war es an ihr, mit den Schultern zu zucken. »Leute, die illegal fischen? Vielleicht hatten sie Angst vor den Ergebnissen seiner Studie.« Ãber den illegalen Fischfang, den sie, als Zing, publik gemacht hatte.
»Die hätten ihn nicht umgebracht.« Eduardo starrte lange Zeit auf seine ineinander verkrampften Hände. »Ich habe der Polizei gesagt ⦠ich habe betont ⦠es muss ein Unfall sein.«
»Eduardo, ich habe Daniel gesehen. Das Mundstück seines Atemreglers war verschwunden, und seine Kehle war durchgeschnitten. Wieso behauptest du, dass es ein Unfall war?«
Ohne sie anzusehen, erwiderte er: »Weil es einfach einer gewesen sein muss.« Beim letzten Wort brach ihm die Stimme. Er hob die Hand und kniff sich in den Nasenrücken. Eine Träne lief seine wettergegerbte Wange hinab.
Sam berührte ihn am Arm. »Wir haben beide einen Freund verloren.«
So wie Eduardo das Wort
umgebracht
betont hatte, fragte Sam sich, was sie wohl sonst mit Dan gemacht hätten. Ihr war klar, dass sie hier über vor Ort ansässige Fischer sprachen. Vielleicht waren sie Eduardos Freunde, seine Nachbarn, seine Verwandten.
Die Galapagosinseln sind eine kleine Gemeinde.
Aber allmählich hatte sie die Nase voll von der gleichgültigen Haltung der Einheimischen. Die Welt wäre ein schrecklicher Ort, wenn alle immer nur wegschauen würden, sobald ihre Nachbarn ein Verbrechen begingen. Wenn das, was Dan herausgefunden hatte, zu seinem Tod geführt hatte, und wenn sie jetzt
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