Gefaehrliche Tiefen
sie die Sonne auf den Galapagosinseln genoss und August und die Cascade Mountains noch weit entfernt seien, dass sie darüber mit MayaHiya gern später noch einmal reden würde â was auch immer
darüber
war.
ZenYoga99 aus Utah berichtete, sie würde am nächsten Tag zum Skilaufen fahren, und sofort musste Sam an Chase denken. Wo steckte er? In der Wüste? In den Bergen? War er in Sicherheit?
Sie wollte ZenYoga schon antworten, dass sie morgen tauchen würde, doch dann fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass sie ja WildWest war, also schrieb sie ihr stattdessen, dass sie morgen eine Wanderung machen würde und hoffte, einen flugunfähigen Kormoran zu sehen.
JD oe1001 wollte wissen, warum sie ihre Zeit damit verplemperte, irgendwelchen blöden Tieren nachzujagen, jetzt, wo Dan tot war und Zing all diese Drohungen bekam. Was war sie bloà für eine Kollegin? Gute Frage, dachte Sam grimmig. Die halbe Stunde war um, und sie verabschiedete sich mit einem ekelhaft fröhlichen Schlusssatz:
Verpassen Sie morgen nicht das Neueste von unserer Tour auf den Galapagosinseln bei
Out There
!
Die Seite verschwand, dann wurde Zings halbe Stunde angekündigt, und ihr Foto erschien in der oberen rechten Ecke. Sam drückte den Rücken durch und spannte die Oberarmmuskeln an, bis ihr Bizeps kräftig heraustrat. Sie stellte sich vor, sie sei groÃ, rothaarig, fünfundzwanzig Jahre alt und völlig unerschrocken.
Das Online-Rechteck war voll mit Namen von Leuten, die sich eingeloggt hatten. Freunde tauchten nicht in der Liste auf. Aber andererseits â woher sollte Zing in den wenigen Tagen ihrer Existenz auch schon Freunde haben? Sam kam das alles nur zu bekannt vor. Genau wie vor zwei Jahren schrieb sie nicht mehr wie ursprünglich geplant über die Natur, sondern über die schmutzigen Details eines hinterhältigen Verbrechens. Der einzige Unterschied bestand darin, dass es diesmal keinen Adam Steele gab, der von seinem Fernsehstudio aus eine Medienkampagne in Gang setzte, und dass so gut wie niemand wusste, wer hinter dem Pseudonym Zing steckte.
Da
Out There
Dans Tod als ungelöstes Rätsel dargestellt hatte, wollten die meisten Chatroombesucher wissen, welche Hinweise es gab.
Es gibt keine Belohnung
, hätte sie am liebsten gebrüllt. Ein realer Mensch, Ehemann, Vater, Freund, Wissenschaftler ist unwiederbringlich tot. Er hinterlässt eine Lücke in dieser Welt!
Ihr Kopf schmerzte, während sie versuchte, die richtigen Worte zu finden. Mehrere Leute vermuteten, Dan sei von Haien angegriffen worden. Oder vielleicht von einem Tintenfisch unter Wasser gezogen worden, bis er schlieÃlich ertrunken war? Oder war er an der Taucherkrankheit gestorben? Von Terroristen ermordet worden? Ein ganz besonderer Schlaumeier glaubte, Dan sei im Zuge der vereinigten Weltverschwörung umgebracht worden war. Dann war da noch ein besorgniserregender Eintrag mit der Vermutung, Dan habe sterben müssen, weil er Asiate und illegal in diesem Gebiet auf Fischfang gewesen war. Sofort musste Sam wieder an Robersons antijapanische Tirade denken. Sie erklärte, dass Daniel Kazaki ein überzeugter Umweltschützer und genauso amerikanisch wie sie gewesen sei. Jedenfalls nahm sie an, dass Zing Amerikanerin war â niemand hatte ihr etwas anderes erzählt.
Ein weiterer Eintrag deutete an, dass Dan zu Recht gestorben sei, weil er sich in die inneren Angelegenheiten eines fremden Lands gemischt hatte. Sie schrieb zurück, dass er lediglich ein mit einer Unterwasserstudie beauftragter Beobachter gewesen sei und die Umstände seines Tods bisher nicht bekannt seien.
Gegen Ende der halben Stunde liefen Sam die Tränen über das Gesicht. Als die digitale Uhr auf 22.59 sprang, tippte sie dankbar:
Die Zeit ist um â besuchen Sie uns auch morgen wieder bei
Out There
!
Sie klappte ihren Laptop zu und versuchte, ein wenig Ordnung in ihr Gefühlschaos zu bringen. Ihr intensivstes Gefühl war Schuld: Für ihren Anteil daran, dass Dans Tod nun ein Medienereignis war. Dafür, dass sie nicht bei ihm gewesen war, als das Unglaubliche passierte. Sie fühlte sich wie in der Falle, gefangen in einer Zeitschleife am Ende der Welt. Ein Opfer von Umständen, die sie nicht beeinflussen konnte. Plötzlich war es, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Sie stürzte aus ihrer engen, stickigen Kabine.
Ihre Schritte klangen hohl, als sie über den metallenen
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