Gefährliche Trauer
Percival - na ja, womöglich ist lieben nicht das richtige Wort, ein gröberer, direkter Ausdruck würde es wahrscheinlich eher treffen. Aber ich wüßte nicht, wie Sie das beweisen sollen.«
»Ausgezeichnet. Einen Moment lang habe ich schon befürchtet, Sie würden mir Anweisungen geben.«
»Das würde ich mir niemals anmaßen - nicht, ehe ich wenigstens Sergeant bin.« Mit diesem Worten raffte sie die Röcke und rauschte hinaus.
So was Lächerliches! Er hatte nicht gewollt, daß das Gespräch diesen Verlauf nahm, aber etwas an ihr, vermutlich ihr Dickschädel, machte ihn immer wieder rasend. Ein Großteil seiner Wut rührte allerdings daher, daß sie zu einem gewissen Teil recht hatte und sich dessen auch bewußt war. Er hatte tatsächlich keine Ahnung, wie er Percivals Schuld beweisen sollte - falls er wirklich schuldig war.
Evan unterhielt sich angeregt mit den Stallburschen, was aber nicht hieß, daß er spezielle Fragen an sie hatte. Monk nahm sich Phillips vor, erfuhr nichts Neues und bestellte dann Percival zu sich.
Diesmal machte der Lakai einen erheblich nervöseren Eindruck. Seine Schultern waren verkrampft und hochgezogen, die Hände ununterbrochen in Bewegung, seine Oberlippe mit einer dünnen Schweißschicht bedeckt, der Blick wachsam. Was nichts heißen mußte, außer daß Percival intelligent genug war zu bemerken, wie sich das Netz um ihn, den Unbeliebten, zusammenzog. Alle hatten Angst um die eigene Haut, und je eher jemand angeklagt wurde, desto schneller konnte sich das Leben im Haus wieder normalisieren und man sich selbst in Sicherheit fühlen. Die Polizei würde verschwinden und mit ihr die zermürbenden Verdächtigungen. Man würde sich wieder gerade in die Augen blicken können.
»Sie sind ein gutaussehender Bursche.« Monk musterte ihn von oben bis unten. Sein Blick verriet alles andere als Wohlgefallen. »Lakaien werden in erster Linie nach ihrem Aussehen ausgesucht, habe ich gehört?«
Percival schaute ihn unerschrocken an, aber Monk konnte seine Angst förmlich riechen.
»Das ist richtig, Sir.«
»Ich könnte mir vorstellen, daß eine Menge Frauen von Ihnen angetan sind - auf die eine oder andere Weise. Frauen reagieren schnell auf ein hübsches Gesicht.«
Ein selbstherrliches Grinsen glitt über Percivals Züge und verschwand sofort wieder.
»Ja, Sir, manche schon.«
»Sie haben das sicher schon oft erlebt, nicht wahr?« Der Körper unter der Livree entspannte sich etwas.
»Allerdings.«
»Und es bringt Sie nie in Verlegenheit?«
»Nicht oft. Man gewöhnt sich dran.«
Eingebildeter Mistkerl, dachte Monk, aber wahrscheinlich nicht ohne Grund. Percival strahlte eine unterdrückte Vitalität aus und hatte etwas Unverschämtes an sich, eine Mischung, die nach Monks Einschätzung viele Frauen aufregend fanden.
»Müssen Sie nicht sehr diskret vorgehen?«
»Na, und ob!« Percival hatte mittlerweile Spaß an der Unterhaltung gefunden. Statt auf der Hut zu sein, schwelgte er angesichts plötzlich hochkommender Erinnerungen in Selbstzufriedenheit.
»Vor allem, wenn's um eine Lady geht, nicht um ein Dienstmädchen, was?« fuhr Monk unbekümmert fort. »Ist bestimmt nicht ganz einfach für Sie, wenn ein weiblicher Gast des Hauses… Interesse an Ihnen zeigt?«
»Nein, Sir - da muß man unglaublich aufpassen.«
»Werden die Männer nicht manchmal eifersüchtig?«
Percival war sichtlich verwirrt; er hatte nicht völlig vergessen, weshalb er sich in diesem Zimmer befand. Monk sah ihm an, wie seine Gedanken sich überschlugen.
»Ich schätze, das könnte vorkommen«, sagte er vorsichtig.
»Könnte?« Monk hob ungläubig die Brauen. Sein Ton war herablassend, voll beißendem Sarkasmus. »Kommen Sie, Percival, wenn Sie ein Mann von Stand wären und Ihre Herzensdame die Gefälligkeiten eines Lakaien Ihren eigenen vorziehen würde, wären Sie da nicht rasend vor Eifersucht?«
Diesmal war das selbstherrliche Grinsen nicht zu verkennen. Die Vorstellung war zu süß, bei weitem die köstlichste Art, seine Überlegenheit zu beweisen, viel besser und wesentlich näher an dem, was einen Mann ausmachte, als Geld oder Stellung.
»Ja, Sir, ich glaube schon.«
»Besonders, wenn es sich um eine so attraktive Dame wie Mrs. Haslett handelt?«
Jetzt kam Percival nicht mehr mit. »Sie war Witwe, Sir. Captain Haslett ist im Krieg gefallen.« Er verlagerte unruhig das Gewicht von einem Fuß auf den andern. »Sie hatte keine ernsthaften Verehrer. Sie hätte gar keinen andern angeschaut - hat den
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