Gefährliche Trauer
Oberschicht zu beschuldigen, wenn Sie's einem Dienstboten anhängen können?«
»Ja, das würde Ihnen zweifellos passen, daß ich Nachforschungen anstelle, warum Mr. Kellard ein Motiv gehabt haben könnte.« Monk war ebenso aufgebracht wie er, hatte jedoch nicht die Absicht, auf seine höhnische Bemerkung einzugehen, da es einem Eingeständnis gleichgekommen wäre. Er scheute ebensowenig davor zurück, einen Dienstboten zu beschuldigen wie ein Familienmitglied, aber er wußte, daß es genau das war, was Runcorn sich erhoffte. Monks Erbitterung galt seinem Vorgesetzten mindestens so sehr wie Percival. »Und Sie müssen es zur Sprache bringen, um meine Aufmerksamkeit von Ihnen abzulenken.«
Das brachte Percival zwar um einen Großteil seiner Selbstsicherheit, an einer Antwort hinderte es ihn jedoch nicht.
»Nein, weil er hinter Mrs. Haslett her war«, sagte er mit harter, ruhiger Stimme. »Und je stärker sie ihn abgewiesen hat, desto schlimmer ist es geworden. So ist's nämlich gewesen!«
»Und deshalb hat er sie erstochen? Eine seltsame Methode, sie für sich zu gewinnen. Dann würde er schließlich gar nicht mehr an sie rankommen, stimmt's? Oder wollen Sie ihm einen Hang zur Nekrophilie unterstellen?«
»Zur was?«
»Verkehr mit Toten«, klärte Monk ihn brutal auf.
»Widerlich.« Percival verzog den Mund.
»Oder war er vielleicht dermaßen von ihr angetan, daß er zu dem Schluß kam, wenn er sie schon nicht haben könnte, dann auch kein anderer?« schlug Monk sarkastisch vor. Zu dieser Form von Leidenschaft hielt keiner von ihnen Myles Kellard für fähig, und das wußte er.
»Sie spielen absichtlich den Dummen«, sagte Percival gepreßt. »Gut, Sie sind vielleicht nicht besonders helle - die Art und Weise, wie Sie diesen Fall angehen, läßt da keinen Zweifel aufkommen -, aber so dämlich sind Sie bestimmt nicht. Mr. Kellard wollte mit ihr ins Bett, sonst nichts. Und er gehört nicht zu den Menschen, die ein Nein akzeptieren. Wenn er ihr nachgestellt hat und sie damit drohte, es an die große Glocke zu hängen, mußte er sie töten. Das hätte er nicht so leicht vertuschen können wie damals die Geschichte mit der armen Martha. Es ist eine Sache, eine Magd zu vergewaltigen, da kümmert sich niemand drum - aber der eigenen Schwägerin Gewalt antun und ungestraft davonkommen, das geht nicht so einfach. Da würde ihr Vater ihn nicht mehr decken!«
Monk starrte ihn entgeistert an. Percival hatte es geschafft; er hatte die Aufmerksamkeit von sich abgelenkt. Seine zusammengekniffenen Augen glitzerten siegessicher.
»Wer ist Martha?« So ungern er es auch tat, Monk blieb nichts anderes übrig, als nachzufragen.
Percival lächelte gedehnt. Er hatte kleine, regelmäßige Zähne.
»War«, verbesserte er. »Der Himmel weiß, wo sie jetzt ist - im Armenhaus vielleicht, wenn sie noch lebt.«
»Schön, also wer war sie?«
Percival starrte Monk mit kaltem Frohlocken in die Augen.
»Dinahs Vorgängerin, 'n hübsches Ding, schlank und zierlich, hatte einen Gang wie 'ne Prinzessin. Er stellte ihr nach und ließ sich kein Nein gefallen. Glaubte einfach nicht, daß sie es ernst meint. Hat sie vergewaltigt.«
»Woher wissen Sie das?« Monk war skeptisch, aber nicht vollkommen ungläubig. Percival war seiner Sache zu sicher, um sie erfunden zu haben.
»Dienstboten sind unsichtbar, wußten Sie das nicht? Gehören zum Mobiliar. Ich war dabei, als Sir Basil einen Teil der Anordnungen traf. Das arme kleine Miststück wurde wegen seines losen Mundwerks und seiner lockeren Moral vor die Tür gesetzt. Er schaffte sie aus dem Haus, ehe sie irgendwem davon erzählen konnte. Blöderweise ist sie ausgerechnet zu ihm gegangen, weil sie Angst hatte, schwanger zu sein - was sie dann auch war. Das Komische dran ist, daß er nicht eine Sekunde an ihren Worten gezweifelt hat - er wußte genau, daß es die Wahrheit war. Trotzdem behauptete er, sie müßte Kellard ermutigt haben, es war ihre Schuld. Hat ihr nicht mal 'n Zeugnis ausgestellt.« Er zuckte die Achseln. »Weiß der Himmel, was mit ihr passiert ist.«
Monk führte Percivals Erbitterung eher auf solidarische Gefühle seiner eigenen Klasse gegenüber zurück als auf Mitleid mit dem Mädchen und schämte sich zugleich für dieses Urteil. Es war hart und wurde durch keinerlei Beweise untermauert, was ihn dennoch nicht veranlaßte, es zu revidieren.
»Und Sie haben keine Ahnung, wo sie sich jetzt aufhält?« Percival schnaubte verächtlich. »Eine Magd ohne Stellung und
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