Gefährliche Trauer
ohne eine konkrete Drohung keine Angst machen konnte, und er hatte keine parat. Er senkte schließlich als erster den Blick, mit dem bitteren Gefühl, eine ungewohnte Niederlage eingesteckt zu haben. »Na schön, fahren Sie mit Ihren Ermittlungen fort, aber irgendwann finde ich es heraus, das verspreche ich Ihnen.«
Monk trieb seinen Triumph nicht auf die Spitze; er war zu zerbrechlich, die Stimmung zwischen ihnen zu unberechenbar.
»Ja, Sir, das ist möglich. Dürfte ich jetzt bitte mit Lady Moidore sprechen, da sie die einzige Person zu sein scheint, die sonst noch darüber Bescheid weiß?«
»Ich bezweifle, daß sie Ihnen weiterhelfen kann. Ich habe die Angelegenheit damals geregelt.«
»Oh, da bin ich sicher, Sir. Aber sie weiß davon und hat vielleicht etwas am Verhalten der anderen bemerkt, das Ihnen entgangen ist. Sie hat einen besseren Einblick in die zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Haus, außerdem sind Frauen diesbezüglich sensibler als Männer.«
Basil zögerte immer noch.
Monk suchte nach schlagenden Argumenten: eine rasche Aufklärung des Falls, Gerechtigkeit für Octavia - doch dann flüsterte ihm sein angeborenes Mißtrauen ein, daß Octavia bereits tot war und Basil der gute Ruf der Hinterbliebenen womöglich mehr am Herzen lag. Für Octavia kam jede Hilfe zu spät, aber Araminta konnte er noch vor Schande und Kummer bewahren.
»Also meinetwegen«, erklärte Basil sich widerstrebend einverstanden. »Aber sorgen Sie dafür, daß die Schwester zugegen ist, und falls Lady Moidore sich schlecht fühlen sollte, verschwinden Sie auf der Stelle. Ist das klar?«
»Absolut, Sir.« Hesters Beistand bei dieser Angelegenheit war ein Pluspunkt, der ihm nur gelegen kam. »Ich danke Ihnen.«
Er wurde von neuem gebeten zu warten, bis Beatrice sich umgezogen hatte. Nach etwa einer halben Stunde erschien Hester im Damenzimmer, um ihn zum Salon zu begleiten.
»Schließen Sie die Tür«, forderte er sie auf, kaum daß sie im Zimmer stand.
Sie tat, wie ihr geheißen, und sah ihn dabei neugierig an.
»Gibt es etwas Neues?« fragte sie wachsam, als ob sie mit nichts Gutem rechnete.
Er wartete, bis der Riegel ins Schloß gefallen und sie in den Raum zurückgekehrt war.
»Vor zwei Jahren arbeitete hier eine Magd, die Myles Kellard der Vergewaltigung beschuldigte. Sie wurde ohne Zeugnis und Empfehlungsschreiben entlassen.«
»Meine Güte…« Hester war sichtlich betroffen. Dann, nachdem sich die erste Verblüffung gelegt hatte, stieg ihr die Zornesröte ins Gesicht. »Sie meinen, man hat sie einfach rausgeworfen? Und was geschah mit Myles?«
»Nichts«, erwiderte er trocken. »Was haben Sie denn gedacht?«
Sie stand reglos vor ihm, die Schultern zurückgeworfen, das Kinn hoch erhoben, und starrte ihn fassungslos an. Nur nach und nach wurde ihr klar, daß der erste Gedanke an Gerechtigkeit und objektive Beurteilung niemals der Realität entsprach.
»Wer weiß davon?«
»Nur Sir Basil und Lady Moidore. Das glaubt jedenfalls Sir Basil.«
»Wer hat es Ihnen erzählt? Sir Basil doch bestimmt nicht, oder?«
Er verzog den Mund zu einem bitteren, verzerrten Grinsen.
»Percival, und zwar als er dachte, ich würde ihm die Schlinge um den Hals legen. Er würde nie freiwillig für die Moidores ins Verderben rennen. Wenn Percival untergeht, wird er versuchen, so viele wie möglich mit sich in die Tiefe zu reißen.«
»Ich kann ihn nicht leiden«, flüsterte Hester mit gesenktem Blick. »Aber ich kann ihm auch nicht verübeln, daß er sich zur Wehr setzt. Ich würde das gleiche tun. Ich könnte jedes Unrecht in Kauf nehmen, wenn es für jemand ist, den ich liebe - aber nicht für Leute, die nur versessen darauf sind, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben, damit sie nichts mehr damit zu tun haben. Was gedenken Sie Lady Moidore zu fragen? Sie wissen, daß es die Wahrheit ist…«
»Nein, das weiß ich nicht«, widersprach Monk. »Myles Kellard behauptet, sie wäre eine Schlampe gewesen und hätte das Ganze provoziert. Basil ist es egal, ob das stimmt oder nicht. Sie konnte nicht hierbleiben, nachdem sie Kellard beschuldigt hatte; abgesehen davon war sie schwanger. Er hatte nur eins im Sinn: die häusliche Ordnung wiederherstellen und die unangenehme Überraschung von seiner Tochter Araminta fernhalten.«
Hester sah ihn mit unverhohlenem Staunen an. »Sie weiß es nicht?«
»Denken Sie, sie weiß es?« fragte er rasch zurück.
»Sie haßt ihn aus irgendeinem Grund. Es muß nicht unbedingt das
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