Gefährliche Trauer
leicht gegeneinandergelegt.
»Woher wissen Sie das alles, Miss Latterly? Oder sollte ich besser sagen: Wie kam die Polizei zu diesem Schluß?«
»Weil die Köchin - die Ermittlungen waren zu der Zeit bereits in vollem Gange, einige Wochen schon, um genau zu sein, eins ihrer Tranchiermesser vermißte. Die Polizei durchsuchte ein zweites Mal das Haus und stieß im Zimmer des fraglichen Lakaien auf ein blutverkrustetes Messer und ein seidenes Neglige, blutverschmiert und zweifellos aus Mrs. Hasletts Besitz. Beides steckte zwischen Rückwand und unterster Schublade seiner Kommode.«
»Und warum glauben Sie nicht an seine Schuld?« erkundigte sich Rathbone neugierig.
So direkt gefragt, fiel eine prägnante, klare Antwort ziemlich schwer.
»Vielleicht ist er es, aber ich finde, daß die Beweise für die Anklage nicht reichen«, sagte sie, plötzlich nicht mehr ganz so sicher. »Das gesamte Belastungsmaterial besteht aus dem Messer und dem Neglige, und das hätte jeder dort deponieren können. Weshalb hätte er die Sachen aufheben sollen, statt sie zu vernichten? Er hätte das Messer problemlos abwischen und zurücklegen, das Neglige in den Küchenherd werfen können. Es wäre vollständig verbrannt.«
»Aus Schadenfreude über die Tat?« schlug Rathbone ohne rechte Überzeugung vor.
»Das wäre dumm, und ein Dummkopf ist er nicht. Der einzig plausible Grund, sie aufzubewahren, wäre, jemand anders damit belasten zu wollen.«
»Warum hat er es dann nicht getan? Hat es sich nicht herumgesprochen, daß die Köchin eins ihrer Messer vermißt, was zwangsläufig eine Hausdurchsuchung nach sich ziehen mußte?« Er schüttelte leicht den Kopf. »Das wäre eine ungewöhnliche Küche, in der es keinen Tratsch gibt.«
»Natürlich hat es sich herumgesprochen. Deshalb konnte ja auch derjenige, der die Sachen hatte, sie in Percivals Zimmer verstecken.«
Zwischen Rathbones Brauen bildete sich eine tiefe Falte. Er machte einen verwirrten, aber interessierten Eindruck.
»Am gravierendsten erscheint mir die Frage«, meinte er schließlich, während er sie über seine Fingerspitzen hinweg anschaute, »warum die Polizei die Beweisstücke nicht früher gefunden hat. Sie wird kaum so nachlässig gewesen sein, sich direkt nach der Tat nicht nach Indizien, Spuren und anderen Auffälligkeiten umzusehen - zumindest als klar war, daß es sich bei dem Täter nicht um einen Einbrecher, sondern um einen Hausbewohner handelt.«
»Zu der Zeit waren die Sachen auch noch nicht in Percivals Zimmer«, sagte Hester ungeduldig. »Man hat sie ihm erst später untergeschoben, und zwar genau so, daß sie gefunden werden mußten - was ja auch der Fall war.«
»Richtig, Miss Latterly, das ist gut möglich, aber Sie haben nicht ganz verstanden, worauf ich hinauswill. Man darf wohl davon ausgehen, daß die Polizei bereits früher alles durchsucht hat, nicht nur das Zimmer des armen Percivals. Wer immer die Beweisstücke hatte, sie hätten gefunden werden müssen.«
»Oh!« Sie begriff plötzlich. »Sie meinen, die Dinge wurden aus dem Haus entfernt und später wieder zurückgebracht. Wie kaltblütig! Sie wurden aufgehoben, um jemand zu belasten, falls es ein Problem geben sollte.«
»Es scheint so. Trotzdem muß man sich wundern, warum es erst zu diesem späten Zeitpunkt geschah und nicht schon früher. Warum fiel der Köchin das fehlende Messer so lange nicht auf? Vielleicht fand die Aktion bereits einige Tage, bevor sie es merkte, statt. Es wäre interessant zu erfahren, wie sie darauf gekommen ist - ob jemand sie darauf aufmerksam gemacht hat, und wenn ja, wer.«
»Ich werde versuchen, dem auf den Grund zu gehen.«
Er lächelte. »Ich nehme an, das Personal bekommt nicht mehr als die übliche Stundenzahl frei und darf das Haus während der Arbeitszeit nicht verlassen?«
»Nein. Wir…« Wie merkwürdig das Wort in bezug auf Dienstboten klang. In Rathbones Gegenwart setzte es ihr besonders zu, aber das war nicht der rechte Zeitpunkt, sich gehenzulassen. »Wir haben alle zwei Wochen einen halben Tag frei, sofern die Umstände es erlauben.«
»Folglich hatte das Personal wenig oder keine Gelegenheit, Messer und Neglige direkt nach der Tat aus dem Haus zu schaffen und in dem kurzen Zeitraum zwischen der Entdeckung der Köchin und der Hausdurchsuchung wieder aus dem Versteck zu holen.«
»Das stimmt.« Es war zwar nur ein kleiner Sieg, aber er bedeutete sehr viel. Hester spürte, wie sich Hoffnung in ihr breitmachte. Sie sprang auf, ging mit
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