Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Öffentlichkeit, die seine ruhige, eindringliche Art sowie die gelegentlichen Abstecher in dramatische Gefilde begeisterte und in Bann schlug, geradezu angebetet. Er war mittelgroß, stämmig gebaut, hatte einen kurzen, breiten Nacken und silberweißes, stark gewelltes Haar. Hätte er es nicht kurzhalten müssen, wäre es vermutlich zu einer regelrechten Löwenmähne entartet, doch er schien ohnehin ein Mensch zu sein, der lieber schick und gepflegt aussah. Er sprach mit einem eigenartig musikalischen Rhythmus, der Hester etwas irritierte, und war mit einem kaum hörbaren Lispeln gesegnet.
    Percival wurde von Oliver Rathbone verteidigt. Sobald Hester ihn erblickte, spürte sie unbändige, schwirrende Hoffnung in sich aufsteigen, als hätte sie einen Vogel im Bauch, der sich in die Lüfte schwang. Es lag nicht nur daran, daß vielleicht doch noch Gerechtigkeit geübt wurde, es freute sie vor allem, daß Rathbone den Kampf aufgenommen hatte - wegen der Sache, nicht wegen des Entgelts.
    Als erste wurde das Hausmädchen Annie aufgerufen, die Octavia Hasletts Leiche gefunden hatte. Sie machte in ihrem schlichten blauen Stoffkleid und mit der Haube auf dem Kopf, die ihr Haar völlig verbarg, einen sehr soliden Eindruck.
    Seltsamerweise sah sie jünger aus als sonst, angriffslustig und verletzlich zugleich.
    Percival stand kerzengerade vor der Anklagebank und blickte starr geradeaus. Es mangelte ihm vielleicht an Menschlichkeit, Mitgefühl und Ehrenhaftigkeit, nicht aber an Mut. Er sah kleiner aus, als Hester ihn in Erinnerung hatte, schmaler in den Schultern und nicht so kräftig, doch schließlich war er zur Untätigkeit verdammt. Hier konnte er weder sein großspuriges Verhalten an den Tag legen noch seine angeborene Vitalität austoben.
    Nach Annie rief man den Arzt herein, der eine knappe, sehr präzise Aussage machte. Er berichtete, Octavia Haslett sei durch zwei Messerstöße knapp unterhalb der Rippen irgendwann im Lauf der Nacht getötet worden.
    Der dritte Zeuge war William Monk. Seine Vernehmung zog sich über den Rest des Morgens sowie den gesamten Nachmittag hin. Er war abweisend, sarkastisch, exakt bis zur Akribie - und weigerte sich beharrlich, selbst die offensichtlichsten Schlüsse zu ziehen.
    Zu Beginn seiner Befragung übte F. J. O'Hare sich in Geduld und zurückhaltender Höflichkeit, den entscheidenden Hieb hob er sich offenbar für später auf. Kurz vor Schluß, nachdem ihm sein Referendar einen Zettel hingeschoben hatte, dessen Inhalt ihm anscheinend den Fall Grey in Erinnerung rief, war es dann soweit.
    »Wenn ich Sie so reden höre, Mr. Monk - nur noch Mister, nicht mehr Inspektor, ist das richtig?« Sein Lispeln war tatsächlich sehr schwach.
    »Vollkommen richtig«, bestätigte Monk, ohne die Miene zu verziehen.
    »Wenn ich Sie so reden höre, Mr. Monk, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie Percival Garrod für unschuldig halten.«
    »Ist das eine Frage, Mr. O'Hare?«
    »Gewiß, Mr. Monk, gewiß.«
    »Meines Erachtens ist seine Schuld durch das vorliegende Beweismaterial nicht ausreichend erwiesen. Das ist nicht dasselbe.«
    »Halten Sie den Unterschied wirklich für so eminent, Mr. Monk? Korrigieren Sie mich, wenn ich mich täusche, aber haben Sie sich nicht auch gegen die Verurteilung des Angeklagten in Ihrem letzten Fall gesträubt? Ein gewisser Menard Grey, wenn ich mich recht entsinne!«
    »Sie täuschen sich«, widersprach Monk sofort. »Ich habe mich nicht gegen seine Verurteilung gesträubt, ich war sogar erpicht darauf. Ich sträubte mich dagegen, ihn hängen zu sehen.«
    »O ja, richtig - mildernde Umstände. Bei Percival Garrods Mord an der Tochter seines Dienstherren konnten sie allerdings keine entdecken, das übersteigt selbst Ihren Erfindungsreichtum nicht wahr? Und sie behaupten allen Ernstes, der Fund der Tatwaffe und des blutbefleckten Kleidungsstückes des Opfers im Zimmer des Angeklagten reicht als Beweis nicht aus? Was erwarten Sie, Mr. Monk, einen Augenzeugen?«
    »Nein, keinen Zweifel an der Schlagkraft der Beweise zu haben«, erwiderte Monk mit gebleckten Zähnen.
    »Beweismaterial, das einen Sinn ergibt, ist mir im allgemeinen lieber.«
    »Zum Beispiel, Mr. Monk?« O'Hare warf einen raschen Blick in Rathbones Richtung, um festzustellen, ob er Einspruch erheben würde. Der Richter runzelte die Stirn und wartete ebenfalls. Rathbone schenkte beiden ein wohlwollendes Lächeln und schwieg.
    »Ein Motiv, weshalb Percival derart…«, Monk fing O'Hares

Weitere Kostenlose Bücher