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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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darum zu kümmern. Rathbone reagierte erfreut, wahrte aber die angemessene Distanz zwischen Gentleman und Gastwirt.
    Während des Essens, das weder Lunch noch Dinner, aber ganz ausgezeichnet war, erzählte Hester ihm den Rest über den Mord in der Queen Anne Street. Sie informierte ihn auch über die von Martha Rivett bestätigte Vergewaltigung durch Myles Kellard, ihre fristlose Entlassung, sowie ihren eigenen Eindruck von Beatrices Angst, an der Percivals Verhaftung offenbar nichts geändert hatte Anschließend berichtete sie ihm von Septimus' Bemerkung, Octavia hätte am Nachmittag vor ihrem Tod laut eigener Darstellung etwas Schreckliches entdeckt, wofür sie allerdings noch keine Beweise besäße.
    Zu John Airdrie, Dr. Pomeroy und dem Chinin kam sie erst zum Schluß.
    Hester hatte insgesamt eineinhalb Stunden seiner Zeit und er fünfundzwanzig Minuten von ihrer verbraucht, aber das sollte ihr erst auffallen, als sie später mitten in der Nacht aus dem Schlaf schreckte.
    »Was raten Sie mir?« fragte sie ernst, während sie sich ein wenig über den Tisch lehnte. »Wie kann man verhindern, daß Percival ohne stichhaltige Beweise verurteilt wird?«
    »Sie haben mir noch nicht gesagt, wer seine Verteidigung übernimmt«, gab er in ebenso gewichtigem Tonfall zurück.
    »Ich habe keine Ahnung. Percival hat nicht viel Geld.«
    »Wie sollte er auch. Und wenn doch, wäre er allein schon deshalb verdächtig.« Rathbone verzog den Mund zu einem harten kleinen Lächeln. »Ich übernehme hin und wieder Fälle, ohne mich dafür bezahlen zu lassen, Miss Latterly, sozusagen im Dienst der Öffentlichkeit.« Das Lächeln wurde breiter. »Und hole den Verlust wieder rein, indem ich beim nächsten mal ein astronomisch hohes Honorar verlange - von jemandem, der es sich leisten kann. Ich werde mich in die Sache hineinknien und mein Bestes tun, darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
    »Danke. Ich bin Ihnen sehr verbunden.« Sie erwiderte sein Lächeln. »Wären Sie jetzt bitte so freundlich, mir zu sagen, was ich Ihnen schulde?«
    »Wir hatten uns auf einen halben Guinee geeinigt, Miss Latterly.«
    Hester öffnete ihre Geldbörse, nahm eine goldene Münze heraus und gab sie ihm. Es war ihre letzte.
    Rathbone bedankte sich höflich und ließ das Geldstück in seiner Tasche verschwinden, stand dann auf, um ihren Stuhl für sie herauszuziehen. Hester verließ das Kutschergasthaus mit einem völlig unangemessenen Gefühl von Zufriedenheit. Sie schwebte förmlich zur Straßenecke, wo er einen Hansom für sie anhielt und dem Fahrer ihre Adresse nannte, damit der Mann sie in die Queen Anne Street zurückbrachte.
    Percival Garrods Gerichtsverfahren begann Mitte Januar 1857. Da Beatrice Moidore noch immer von gelegentlichen Schwermutsanfällen und scheinbar unbegründeten Angstzuständen heimgesucht wurde, war Hester noch nicht von ihrer Aufgabe entbunden.
    Die Familie begab sich geschlossen zur Verhandlung nach Old Bailey. Wenn es nach Basil gegangen wäre, wären die Frauen zu Hause geblieben und hätten ihre Zeugenaussagen schriftlich gemacht, doch Araminta weigerte sich, dieser Anweisung Folge zu leisten, und bei den wenigen Malen, wo sie mit ihrem Vater aneinandergeriet, war gewöhnlich sie es, die Oberwasser behielt. Beatrice hingegen ging einer Konfrontation mit ihm kurzentschlossen aus dem Weg; sie hüllte sich in tristes, schmuckloses Schwarz, legte einen undurchdringlichen Schleier an und beauftragte Robert, ihr eine Kutsche zu holen. Hester bot ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit an, sie zu begleiten, und war entzückt, als sie darauf einging.
    Fenella Sandeman lachte bei dem bloßen Gedanken, sich ein derartiges Spektakel entgehen zu lassen. Am fraglichen Tag kam sie majestätisch und vom Alkohol in leichte Hochstimmung versetzt aus ihrem Zimmer gerauscht.
    Basil stieß einen Fluch aus, der jedoch auf taube Ohren stieß. Selbst wenn sie ihn gehört hatte, ging er völlig an ihr vorbei.
    Romola wollte nicht als einzige zu Hause bleiben, und niemand machte sich die Mühe, deshalb mit ihr zu streiten.
    Der Gerichtssaal platzte vor Zuschauern fast aus allen Nähten. Da Hester diesmal nicht als Zeugin auftreten mußte, durfte sie von Anfang an im Publikum sitzen.
    Die Staatsanwaltschaft wurde durch einen Mr. F. J. O'Hare vertreten, der sich dank einiger spektakulärer Prozesse einen Namen gemacht sowie dank zahlreicher nicht so bekannt gewordener eine Menge Geld verdient hatte. Von seinen Kollegen wurde er hoch geschätzt, von der

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