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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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haben.«
    »Es ist mir ein Vergnügen, Miss Latterly.« Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das prächtige Zähne enthüllte, seine dunklen Augen blieben jedoch undurchdringlich. »Kommen Sie bitte in mein Büro, und machen Sie es sich bequem.« Er hielt ihr die Tür auf. Hester war klar, daß ihre halbe Stunde von dem Moment an, als er sie begrüßt hatte, gnadenlos tickte.
    Der nicht besonders große Raum war sparsam möbliert. Die Ausstattung erinnerte eher an die Zeit Williams IV. als an den derzeitigen Einrichtungsstil und erweckte durch die schlichte, schlanke Form der Möbelstücke den Eindruck von Helligkeit und Platz. Die Farben waren unterkühlt, die Tischlereiobjekte weiß. An der Stirnwand hing ein Gemälde, das ihr nach einem typischen Joshua Reynolds aussah: ein im Stil des achtzehnten Jahrhunderts gekleideter Edelmann vor romantischer Landschaft.
    Was samt und sonders unwichtig war; sie mußte sich auf ihr Anliegen konzentrieren.
    Sie ließ sich auf einem der bequemen Sessel nieder und wartete, bis er ihr gegenüber Platz genommen und die Beine übergeschlagen hatte, nicht ohne die Hosenbeine vorher sorgfältig hochzuziehen, damit sie nicht aus der Form gerieten.
    »Verzeihen Sie meine Offenheit, Mr. Rathbone, aber alles andere wäre unehrlich. Ich kann mir nur eine halbe Stunde Ihrer kostbaren Zeit leisten. Bitte erlauben Sie mir nicht, Sie länger in Anspruch zu nehmen.« Sie sah, wie es in seinen Augen belustigt aufblitzte, doch seine Antwort war nüchtern.
    »Seien Sie unbesorgt, Miss Latterly. Ich werde die Uhr im Auge behalten. Sie dürfen sich ganz darauf konzentrieren, mir den Grund Ihres Kommens zu schildern.«
    »Vielen Dank«, erwiderte Hester erleichtert. »Es geht um den Mord in der Queen Anne Street. Sie sind mit den Hintergründen vertraut?«
    »Ich habe davon in den Zeitungen gelesen. Kennen Sie die Moidores näher?«
    »Nein, jedenfalls nicht auf gesellschaftlicher Ebene. Bitte, Mr Rathbone, unterbrechen Sie mich nicht. Wenn ich abschweife bleibt mir nicht genug Zeit, Ihnen alles Wichtige mitzuteilen.«
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung.« Schon wieder dieser Anflug von Belustigung.
    Sie unterdrückte ihren aufkommenden Unmut und vergaß das mit dem Charme.
    »Octavia Haslett, Sir Basil Moidores Tochter, wurde erstochen in ihrem Schlafzimmer aufgefunden.« Sie hatte vorher einstudiert, was sie sagen wollte, und konzentrierte sich nun ernsthaft darauf, jedes einzelne Wort davon wiederzugeben.
    »Man hielt es zunächst für die Tat eines Einbrechers, der sie durch sein Eindringen aufgeweckt hatte und daraufhin in Panik geriet. Dann gelang es der Polizei jedoch zu beweisen, daß das Haus von keinem Fremden betreten worden sein konnte, weder von vorn noch von hinten, und sie infolgedessen von einem Hausbewohner ermordet worden sein mußte - entweder von einem Mitglied des Personals oder einem ihrer eigenen Angehörigen.«
    Rathbone nickte schweigend.
    »Lady Moidore nahm sich das Ganze sehr zu Herzen und wurde krank. Meine Verbindung zu der Familie besteht darin, daß ich sie als Krankenschwester betreue.«
    »Ich dachte, Sie sind in einem Krankenhaus?« Er machte große Augen und hob überrascht die Brauen.
    »Früher einmal«, gab Hester schroff zurück. »Jetzt nicht mehr.«
    »Aber Sie traten doch so enthusiastisch für Krankenhausreformen ein!«
    »Meine Arbeitgeber weniger. Bitte, Mr. Rathbone, unterbrechen Sie mich nicht! Mein Anliegen ist von größter Brisanz, oder es geschieht ein grauenhaftes Unrecht.«
    »Man hat die falsche Person verhaftet«, sagte er ruhig.
    »Genau.« Sie verbarg ihre Verwunderung nur, weil keine Zeit dafür war. »Den Lakai Percival, der nicht gerade ein einnehmendes Wesen besitzt. Er ist eitel, ehrgeizig, egoistisch und hat etwas von einem Schwerenöter…«
    »Ganz und gar nicht einnehmend«, bestätigte Rathbone, während er sich tiefer in seinen Sessel sinken ließ, den klaren Blick unverwandt auf sie gerichtet.
    »Laut Theorie der Polizei«, fuhr Hester fort, »war er derart von Mrs. Haslett angetan, daß er mitten in der Nacht - ob mit oder ohne ihre Ermutigung, weiß niemand - in ihr Zimmer schlich und versuchte, ihr Gewalt anzutun. Sie, die so etwas hatte kommen sehen, nahm ein Tranchiermesser«, sie ignorierte seinen verblüfften Blick, »mit nach oben, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, versuchte ihre Tugend zu verteidigen, und kam im darauffolgenden Kampf ums Leben.«
    Er betrachtete sie nachdenklich, die Fingerspitzen

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