Gefährliche Trauer
triumphierenden Blick auf und schluckte das Wort erdrückende noch rechtzeitig hinunter, »derart nutzlose, schädliche Beweisstücke hätte aufheben sollen«, sagte er statt dessen, »wo er das Neglige problemlos verbrennen, das Messer einfach abwischen und zurücklegen konnte.«
»Vielleicht wollte er jemand anders belasten?« O'Hares Stimme schwoll zu etwas an, das beinah wie Belustigung klang, als läge die Antwort für jeden Dummkopf auf der Hand.
»Dann hat er auf der ganzen Linie versagt«, erwiderte Monk.
»Und an Gelegenheit mangelte es ihm nicht. Er hätte leicht nach oben gehen und beides an einem Ort seiner Wahl verstecken können, sobald er erfuhr, daß das Messer vermißt wurde.«
»Vielleicht hatte er es vor, kam jedoch nicht dazu? Können Sie sich ausmalen, wie ihn das gequält haben muß?« O'Hare drehte sich mit erhobenen Händen, die Handflächen zur Decke gekehrt, zu den Geschworenen um. »Was für eine Ironie des Schicksals! Ein Mann, der in der eigenen Familie sitzt! Und wer hätte das wohl am meisten verdient?«
Jetzt stand Rathbone auf, um Einspruch zu erheben.
»Euer Ehren, Mr. O'Hare setzte einen Tatbestand voraus, der erst bewiesen werden muß. Trotz seiner vielgerühmten Überzeugungskraft ist es ihm bisher nicht gelungen, uns etwas vorzulegen, das eindeutig darauf hinweist, wer die fraglichen Objekte in Percivals Zimmer deponiert hat. Er leitet seine Rückschlüsse aus seiner Prämisse ab und seine Prämisse aus seinen Rückschlüssen!«
»Sie werden sich etwas Besseres einfallen lassen müssen, Mr. O'Hare«, warnte ihn der Richter.
»Oh, das werde ich, Euer Ehren«, versprach O'Hare. »Seien Sie unbesorgt, das werde ich!«
Gleich zu Beginn des zweiten Verhandlungstages stürzte sich O'Hare auf die Beweisstücke, die unter so dramatischen Umständen entdeckt worden waren. Er rief Mrs. Boden in den Zeugenstand, die kleinlaut und nervös ihren Platz einnahm und in dieser Umgebung wie ein Fisch auf dem Trockenen wirkte.
Sie war es gewöhnt, ihre Gefühle und ihr beachtliches handwerkliches Können walten zu lassen, sollte nun aber plötzlich stumm und still auf einem Fleck stehen und sich lediglich verbal äußern. Es bereitete ihr sichtlich Höllenqualen.
Als man ihr das Messer zeigte, zuckte sie angeekelt zurück, bestätigte jedoch, daß es sich um das vermißte Tranchiermesser aus ihrer Küche handelte. Sie identifizierte es anhand zahlreicher Kerben und Kratzer auf dem Griff sowie einer kleinen Delle in der Klinge. Mit den Werkzeugen ihrer hohen Kunst kannte sie sich bestens aus. Nichtsdestotrotz geriet sie gehörig durcheinander, als Rathbone sie unbarmherzig danach auszuhorchen begann, wann sie es zuletzt benutzt hatte. Er ging sämtliche Mahlzeiten jedes einzelnen Tages mit ihr durch, erkundigte sich, welche Messer sie wann zum Zubereiten welcher Speisen benutzt hatte, drang solange in sie, bis sie schließlich total verwirrt war. Auch der ganze Gerichtssaal war durch seine bohrenden Fragen befremdet, deren Sinn niemand verstand.
O'Hare stand aalglatt lächelnd auf, um die Kammerzofe Mary aufzurufen, damit sie bezeugen konnte, daß es sich bei dem blutbesudelten Neglige tatsächlich um Octavias handelte. Sie war sehr blaß; ihr blühender, dunkler Teint hatte jegliche Frische verloren, ihre Stimme klang ungewöhnlich gedämpft - aber sie schwor unter Eid, daß es ihrer Herrin gehört hatte. Sie hätte es oft genug an ihr gesehen, den zarten Seidenstoff und den Spitzenbesatz selbst häufig gebügelt.
Rathbone quälte sie nicht zusätzlich. Es gab nichts zu disputieren.
O'Hares nächster Zeuge war der Butler. Phillips sah aus wie ein wandelnder Leichnam, als er den Zeugenstand betrat. Sein kahler Schädel unter den mageren Haarsträhnen glänzte im Kunstlicht wie Wachs, seine Augenbrauen wirkten struppiger denn je. Nur sein Gesichtsausdruck stellte deutlich zur Schau, mit welcher Würde er sein Schicksal trug: er, der tapfere Soldat, der aller Waffen beraubt seine Parade vor einer aufmüpfigen Meute abhalten muß.
O'Hare war viel zu erfahren, um ihn durch unhöfliches oder geringschätziges Verhalten vor den Kopf zu stoßen. Nachdem er Phillips Tätigkeit und hervorragende Referenzen ausgiebig gepriesen hatte, fragte er ihn nach seinem Rang in bezug auf das restliche Hauspersonal. Als auch hinsichtlich seiner dahingehenden Vormachtstellung kein Zweifel mehr für die Geschworenen und das Publikum bestand, zeichnete er ihm ein ausgesprochen ungünstiges Bild von Percival
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