Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
fort.
    »Selbstverständlich konnte sie nicht ahnen, daß er mehr als dreiste Worte im Sinn hatte - genausowenig wie ich, ansonsten hätte ich zweifellos ihren Vater informiert, egal, was sie davon gehalten hätte!«
    »Zweifellos«, versicherte O'Hare beschwichtigend. »Jedem von uns wird klar sein, daß sie alles Menschenmögliche unternommen hätten, den tragischen Ausgang dieser Schwärmerei zu verhindern, falls Sie ihn vorausgesehen hätten. Nichtsdestotrotz ist die heutige Bezeugung Ihrer Beobachtungen eine große Hilfe bei dem Versuch, Mrs. Haslett Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wir wissen alle zu schätzen, daß Sie es auf sich genommen haben, hierherzukommen und es uns zu erzählen.« Als nächstes forderte er sie auf, Beispiele für Percivals anrüchiges Verhalten zu nennen, was sie recht detailliert und pflichtergeben tat, und erkundigte sich anschließend, was Octavia unternommen hatte, um ihn zu ermutigen. Auch dahingehend erteilte Fenella bereitwillig Auskunft.
    »Ach, eine allerletzte Frage noch, bevor Sie den Zeugenstand verlassen, Mrs. Sandeman.« O'Hare blickte abrupt auf, als ob er fast etwas Wichtiges vergessen hätte. »Sie sagten, Percival wäre habgierig. In welcher Beziehung?«
    »In bezug auf Geld natürlich«, erklärte sie mit seidenweicher Stimme; aus ihren Augen blitzte Spott. »Er mochte schöne Dinge, die man sich mit dem Lohn eines Lakaien nicht leisten kann.«
    »Woher wissen Sie das, Ma'am?«
    »Er war ein Angeber. Er hat mir einmal erzählt, wie er zu seinen kleinen… Extras gekommen ist.«
    »Tatsächlich? Und wie?« fragte O'Hare vollkommen unschuldig, als könnte die Antwort unmöglich etwas Schlimmes zu Tage fördern.
    »Er wußte ein paar Dinge über andere«, gab Fenella mit einem winzigen, boshaften Lächeln zurück. »Unerhebliche Dinge, für die meisten von uns völlig belanglos, kleine persönliche Makel bloß aber doch solche, die man lieber nicht ausposaunt haben will.«
    Sie zuckte elegant mit den Achseln. »Das Stubenmädchen Dinah zum Beispiel prahlt mit ihrer reizenden Familie, dabei ist sie ein Findelkind und hat gar keine. Ihr gestelztes Getue hat Percival geärgert, also erschreckte er sie ein wenig, indem er ihr sagte, er wisse Bescheid. Lizzie, die ältere Wäschemagd, ist zwar ein rechthaberisches, ziemlich hochnäsiges Geschöpf, aber doch nicht zu stolz, um vor einiger Zeit eine Affäre gehabt zu haben. Er wußte auch das, keine Ahnung woher, vielleicht von Rose. Der Bruder der Köchin ist ein Trinker, die Schwester der Küchenmagd schwachsinnig - derartige kleine, unangenehme Dinge eben.«
    O'Hare schaffte es nur zum Teil, seinen Widerwillen zu verbergen. Ob dieser ausschließlich Percival galt oder auch Fenella einschloß, die soeben ein paar sehr private Mißstände enthüllt hatte, war unmöglich festzustellen.
    »Ein ausgesprochen unangenehmer Zeitgenosse«, sagte er laut. »Und wie hat er das alles herausgefunden, Mrs. Sandeman?«
    Fenella schien seinen eisigen Unterton nicht zu bemerken.
    »Ich nehme an, er hat ihre Briefe über Dampf gehalten und geöffnet«, meinte sie gleichgültig. »Es gehörte zu seinen Aufgaben, die Post reinzuholen.«
    »Ich verstehe.«
    O'Hare dankte ihr und setzte sich hin. Rathbone, der im selben Moment aufgestanden war, bewegte sich mit fast katzenartiger Geschmeidigkeit auf den Zeugenstand zu.
    »Ihr Gedächtnis ist wirklich bemerkenswert, Mrs. Sandeman, ganz zu schweigen von Ihrer Liebe zum Detail und Ihrer Sensibilität, der wir eine Menge zu verdanken haben.«
    Sie musterte ihn mit aufkeimendem Interesse. Er hatte etwas Faszinierendes, Herausforderndes und Kraftvolleres an sich als O'Hare, worauf sie augenblicklich reagierte.
    »Sie sind sehr freundlich.«
    »Keineswegs, Mrs. Sandeman.« Er winkte betont lässig ab.
    »Ganz und gar nicht, glauben Sie mir. Hat dieser gierige, selbstverliebte, auf Freiersfüßen wandelnde Lakai auch andere Damen des Hauses begehrt? Mrs. Cyprian Moidore beispielsweise oder Mrs. Kellard?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung.« Fenella war ehrlich überrascht.
    »Vielleicht sogar Sie selbst?«
    »Nun ja…« Sie schlug sittsam die Augen nieder.
    »Bitte, Mrs. Sandeman«, drängte Rathbone, »jetzt ist nicht der Zeitpunkt, sich in Zurückhaltung zu üben.«
    »Ja, er - er hat die Grenze bloßer Höflichkeit überschritten.« Ein paar der Geschworenen blickten erwartungsvoll auf. Ein anderer, ein älterer Herr mit gepflegten Koteletten, war sichtlich verlegen.
    »Er hat ein

Weitere Kostenlose Bücher