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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Leid vielfältige Erscheinungsformen hatte, und die Offenheit, mit der er dem Gericht seine Tragödie schilderte, schuf ein unsichtbares Band zwischen ihnen. Sie bewunderten seine Haltung und seine Freimütigkeit. Die Wärme, die Sir Basil entgegengebracht wurde, war bis zu Hesters Platz spürbar. Sie warf einen raschen Blick auf Beatrice; doch hinter dem dichten Schleier waren keine Gefühle zu erkennen.
    O'Hare war brillant. Hester sank der Mut.
    Endlich kam Rathbone an die Reihe, um mit seiner Verteidigung zu beginnen, wie immer die aussehen mochte.
    Er begann mit Mrs. Willis, der Haushälterin. Höflich und zuvorkommend entlockte er ihr großzügige Auskunft über ihre Referenzen, die ihr zu dieser gehobenen Position verhelfen hatten, sowie das Bekenntnis, daß sie der Familie nicht nur den Haushalt führte, sondern außerdem für das gesamte weibliche Personal verantwortlich war, ausgenommen die Mädchen, die in der Küche arbeiteten. Unter anderem kümmerte sie sich auch um ihr sittliches Wohlergehen.
    Ob ihnen amouröse Tändeleien erlaubt seien?
    Allein die Frage machte sie böse. Ganz gewiß nicht, wo denke er hin! Sie würde gar nicht erst zulassen, daß ein Mädchen mit derartigen Flausen im Kopf eingestellt wurde. Und wenn sich eine unmoralisch benehmen sollte, würde sie fristlos entlassen - ohne Zeugnis. Unnötig zu erwähnen, was mit solchen Leuten geschah.
    Und wenn eins der Mädchen schwanger war?
    Würde sie natürlich ebenfalls sofort hinausfliegen, was sonst! Natürlich. Und Mrs. Willis nahm ihre Aufgabe dahingehend ernst?
    Selbstverständlich. Sie war schließlich gläubige Katholikin. War irgendeins der Mädchen je zu ihr gekommen, um ihr mitzuteilen - sei es auf noch so umständliche Art und Weise -, daß sich ein Hausdiener - Percival oder jemand anders - an sie herangemacht hatte?
    Nein, nie. Percival war ausschließlich in sich selbst verliebt, um die Wahrheit zu sagen, eitel wie ein Pfau. Sie hatte seine Kleidungsstücke und Stiefel gesehen und sich schon des öfteren gefragt, woher das Geld dafür kam.
    Rathbone brachte sie zum Thema zurück. Hatte es irgendwelche Beschwerden über Percival gegeben?
    Nein, das war alles nur boshaftes Geschwätz, mehr nicht. Außerdem waren die meisten Mädchen sehr gut in der Lage, sein Scharwenzeln als das zu nehmen, was es war - nämlich gar nichts!
    O'Hare versuchte nicht, ihre Aussage anzuzweifeln. Er wies lediglich daraufhin, daß all dies nur von zweitrangiger Bedeutung sei, da sie nicht für Octavia Hasletts Moral zuständig gewesen war.
    Rathbone erhob sich noch einmal, um deutlich zu machen, daß ein Großteil von Percivals schlechtem Ruf darauf beruhte, wie die Hausmädchen sein Verhalten bewerteten.
    Der Richter meinte dazu, die Geschworenen würden sich schon ihr eigenes Bild machen.
    Rathbone rief Cyprian in den Zeugenstand. Statt ihn nach seiner Schwester oder Percival zu fragen, ließ er sich bestätigen, daß Cyprians Zimmer direkt neben Octavias lag, und erkundigte sich anschließend, ob er in ihrer Todesnacht irgendwelche auffälligen Geräusche vernommen hätte.
    »Nein, kein einziges, sonst hätte ich nachgesehen, ob alles in Ordnung ist«, sagte Cyprian ein bißchen erstaunt.
    »Haben Sie einen sehr festen Schlaf?«
    »Nein.«
    »Hatten Sie am fraglichen Abend eine größere Menge Wein zu sich genommen?«
    »Nein, ich habe nur sehr wenig getrunken.« Cyprian runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen, Sir. Meine Schwester wurde ohne jeden Zweifel in dem Zimmer direkt neben meinem umgebracht. Daß ich keine Kampfgeräusche gehört habe, erscheint mir ziemlich unerheblich. Percival war wesentlich stärker als sie…« Er war plötzlich sehr blaß und hatte Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Ich nehme an, er hat sie im Handumdrehen überwältigt.«
    »Und sie hat nicht einmal geschrien?« Rathbone machte ein verblüfftes Gesicht.
    »Anscheinend nicht.«
    »Aber O'Hare hat uns doch so lebhaft geschildert, wie sie mit einem Tranchiermesser bewaffnet zu Bett gegangen sein soll, um die unerwünschten Gunstbezeigungen des Lakaien abzuwehren«, appellierte Rathbone an seinen Verstand.
    »Dennoch sprang sie aus dem Bett, als er hereinkam. Sie wurde nicht darin, sondern darauf gefunden, und zwar nicht in normaler Schlafposition - wie uns Mr. Monks Aussage bestätigt. Sie stand also auf, zog ihr Neglige an, holte das Messer hervor, wo immer sie es versteckt hatte, und dann gab es einen Kampf, weil sie sich zu

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