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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Abgesehen von Monk schien jeder der Meinung zu sein. Aber es paßte so vieles nicht zusammen.
    »Hester?«
    »Entschuldigung. Ich war mit den Gedanken woanders.«
    »Ich konnte Myles Kellard nicht als Tatverdächtigen vorführen.«
    »Warum nicht?«
    Er lächelte kaum merklich. »Überlegen Sie mal, meine Liebe. Womit hätte ich untermauern können, daß er ein erotisches Interesse an seiner Schwägerin hatte? Was glauben Sie wohl, wer von der Familie so etwas bestätigt hätte? Araminta? Sie würde zum Gespött der ganzen Londoner Gesellschaft, und das weiß sie. Wenn ein Gerücht kursiert, wird sie bedauert, aber wenn sie es zugibt, wird sie verachtet. Nach dem Eindruck, den ich von ihr habe, fände sie beides unerträglich.«
    »Ich bezweifle, ob Beatrice lügen würde«, sagte Hester, merkte aber sofort, wie dumm das war. »Jedenfalls hat er Martha Rivett vergewaltigt. Percival wußte darüber Bescheid.«
    »Und weiter? Denken Sie, die Geschworenen werden Percival glauben? Oder soll ich Martha selbst in den Zeugenstand rufen? Oder Sir Basil, der sie entlassen hat?«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Hester unglücklich und wandte sich ab. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was wir noch versuchen könnten. Es tut mir leid - wahrscheinlich klingt alles, was ich sage, wie dummes Zeug. Es ist bloß…«, sie brach ab und sah ihn düster an, »man wird ihn hängen, nicht wahr?«
    »Ja.« Er beobachtete sie ernst. »Diesmal gibt es keine mildernden Umstände. Was kann man zur Verteidigung eines Hausdieners vorbringen, den es nach der Tochter seines Herrn gelüstet und der sie kurzerhand niedersticht, wenn sie ihm nicht zu Willen ist?«
    »Nichts«, sagte sie kaum hörbar. »Gar nichts. Nur daß er ein menschliches Wesen ist und wir uns selbst herabwürdigen, wenn wir ihn aufhängen.«
    »Ach, meine liebe Hester.« Langsam und sehr bedächtig, die Lider gesenkt, aber nicht völlig geschlossen, beugte Rathbone sich vor, bis seine Lippen ihre berührten. Sein Kuß war nicht leidenschaftlich, sondern zart und ungewohnt vertraut.
    Als er sich wieder von ihr löste, fühlte sie sich einsamer und geborgener als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt ihres Lebens. Sein Gesicht verriet ihr sofort, daß auch er überrascht war.
    Er holte Luft, wie um etwas zu sagen, sah davon ab und trat statt dessen ans Fenster, so daß er ihr halb den Rücken zukehrte.
    »Es tut mir wirklich leid, daß ich nichts für Percival herausschlagen konnte«, sagte er noch einmal. Seine Stimme klang ein wenig rauh und so ehrlich betroffen, daß sie nicht den geringsten Zweifel an seiner Aufrichtigkeit hegte. »Zum einen für ihn, zum andern, weil Sie mir vertraut haben.«
    »Sie haben dieses Vertrauen nicht enttäuscht«, gab Hester schnell zurück. »Ich habe erwartet, daß Sie tun, was Sie können nicht daß ein Wunder geschieht. Ich sehe doch selbst, wie erregt die Gemüter sind. Vielleicht war es von Anfang an aussichtslos; aber wir mußten alles versuchen, was in unsrer Macht steht. Mir tut es leid, daß ich so dummes Zeug geredet habe. Natürlich hätten Sie dem Gericht nicht mit Myles - oder gar Araminta - kommen können! Es hätte die Geschworenen nur noch mehr gegen Percival aufgebracht. Wenn ich die Enttäuschung aus meinem Verstand verbanne und nur ein bißchen Intelligenz walten lasse, ist mir das durchaus klar.«
    Er lächelte sie mit leuchtenden Augen an. »Wie überaus vernünftig.«
    »Sie machen sich über mich lustig«, stellte Hester ohne jeden Groll fest. »Ich weiß, so etwas ist als unweiblich verschrien, aber ich finde es nicht besonders anziehend, sich wie ein Idiot aufzuführen, wenn man auch anders kann.«
    Das Lächeln wurde breiter. »Ich auch nicht, verehrte Hester. Ich finde es sogar ausgesprochen langweilig. Schlimm genug, wenn man nicht anders kann! Was haben Sie jetzt vor? Wovon wollen Sie leben, wenn Lady Moidore Ihre Dienste als Schwester nicht länger benötigt?«
    »Ich werde mich anderweitig bewerben. Wenigstens so lange, bis ich irgendwo eine Stelle in der Verwaltung gefunden habe.«
    »Das freut mich zu hören. Sie haben also noch nicht die Hoffnung aufgegeben, das englische Medizinalwesen zu reformieren.«
    »Ganz gewiß nicht! Obwohl ich, anscheinend im Gegensatz zu Ihnen, nicht glaube, das zu Lebzeiten noch zu schaffen. Ich wäre schon froh, wenn es mir gelingen würde, etwas in die Wege zu leiten.«
    »Das werden Sie bestimmt.« Rathbones Lächeln verschwand.
    »Jemand, der so entschlossen ist wie Sie, kann

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