Gefährliche Trauer
getragen hat. Lizzie, die Chefin der Waschfrauen, hat es ebenfalls erkannt, wenn mich nicht alles täuscht. Ist auch egal, ob es Octavia gehörte oder nicht, sie hat es offensichtlich getragen, als sie starb.«
»Rose?«
»Ja, da wird die Spur schon heißer. Ihr hat Percival anscheinend den Hof gemacht - um es einmal elegant auszudrücken -, und sie dann fallenlassen, als sie ihm langweilig wurde. Ob nun zu Recht oder nicht, sie bildete sich ein, er würde sie heiraten, wohingegen er nicht im Traum daran dachte. Sie hat ein starkes Motiv, ihn in Schwierigkeiten zu sehen. Ich würde ihr sogar die Leidenschaftlichkeit und den Haß zutrauen, ihm den Tod durch den Strick zu wünschen.«
»Genug, daß sie bis zuletzt log, um ihr Ziel zu erreichen?« Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, daß jemand so böswillig sein konnte, selbst wenn es sich um eine sexuell besessene Person handelte, die abgewiesen worden war. Octavia war in einem Augenblick völliger Kopflosigkeit erstochen worden, als sie sich verweigerte, nicht mit kaltblütigem Vorsatz wochen oder monatelang vorausgeplant. Sich einen derart berechnenden, eiskalten Verstand in einer Wäschemagd vorzustellen, einem flotten, hübschen Ding, war geradezu beängstigend. Dennoch konnte sie einen Mann begehrt und, als sie abgewiesen wurde, in den gerichtlich abgesegneten Tod getrieben haben.
Hester blieben seine Zweifel nicht verborgen.
»Vielleicht war sie nicht auf ein so furchtbares Ende aus«, räumte sie ein. »Eine Lüge erzeugt die nächste. Vielleicht wollte sie ihm nur Angst einjagen - wie Araminta es bei Myles getan hat -, aber dann wuchsen ihr. die Ereignisse über den Kopf und sie konnte keinen Rückzieher mehr machen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.« Sie nahm noch einen Schluck Schokolade. Die zähe Flüssigkeit schmeckte einfach köstlich, obwohl sie sich allmählich daran gewöhnte, nur noch die besten Speisen und Getränke zu sich zu nehmen. »Oder sie hielt ihn tatsächlich für schuldig. Manchen Menschen macht es nicht das geringste aus, die Wahrheit ein bißchen zu verbiegen, um das herbeizuführen, was sie für Gerechtigkeit halten.«
»Das heißt, sie log, was Octavias Charakter betrifft?« nahm Monk den Faden auf. »Sofern Lady Moidore recht hat. Sie könnte es aber genausogut aus Eifersucht getan haben. Schön - nehmen wir einmal an, daß Rose gelogen hat. Was ist mit Phillips, dem Butler? Er hat bestätigt, was die anderen über Percival gesagt haben.«
»Zum Großteil liegt er damit wahrscheinlich auch richtig. Percival war arrogant und ehrgeizig. Er hat die übrigen Dienstboten zweifellos erpreßt, vielleicht sogar ein paar der Familienmitglieder - das werden wir vermutlich nie erfahren. Er ist nicht liebenswert, aber darum geht es nicht. Wenn wir jeden Londoner Bürger aufhängen würden, der nicht liebenswert ist, würde die Bevölkerung wahrscheinlich um ein Viertel dezimiert.«
»Mindestens«, bestätigte Monk. »Phillips könnte seine Meinung aufgrund seiner Ergebenheit ein wenig ausgeschmückt haben. Es war ganz offensichtlich die Lösung, die Sir Basil wünschte, und er wünschte sie schnell. Phillips ist kein Dummkopf, zudem besitzt er ein ausgeprägtes Pflichtbewußtsein. Er hätte es nicht als unehrlich angesehen, sondern als Loyalität einem Vorgesetzten gegenüber; ein militärisches Ideal, das ihm alles bedeutet. Und Mrs. Willis hat für uns ausgesagt.«
»Die Familie?«
»Cyprian hat ebenfalls für uns ausgesagt, gleichermaßen Septimus. Wie steht's mit Romola? Was halten Sie von ihr?« Hester empfand einen Anflug von Gereiztheit - und Schuldbewußtsein. »Sie genießt den Status, Sir Basils Schwiegertochter zu sein und in der Queen Anne Street zu wohnen, aber sie setzt Cyprian in letzter Zeit gehörig unter Druck, damit er um mehr Geld bittet. Romola versteht es hervorragend, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen, weil sie nicht glücklich ist. Sie ist verstört, weil sie ihn langweilt und keine Ahnung hat warum. Manchmal bin ich unglaublich frustriert, daß er ihr nicht endlich sagt, sie soll wie ein erwachsener Mensch handeln und selbst die Verantwortung für ihr Seelenglück übernehmen. Im Grunde kenne ich die beiden aber viel zu wenig, um mir ein Urteil erlauben zu dürfen.«
»Trotzdem tun Sie es«, sagte Monk ohne jeden Vorwurf. Er verabscheute Frauen, die ihren Vätern oder Müttern mit emotionaler Erpressung das Leben zur Hölle machten, hatte jedoch nicht die leiseste Vorstellung, warum er
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