Gefährliche Trauer
wüßte, daß ich es weiß? Würde ich dann auch umgebracht? Wie sollen wir hier weiterhin Tag für Tag unter einem Dach zusammenleben?«
Hester wußte keine Antwort. Es gab keine tröstenden Worte, und den Schmerz bagatellisieren, indem sie irgend etwas sagte wollte sie nicht.
Es dauerte etwa drei Wochen, bis die Rache der Dienstboten zu greifen begann und Fenella sich dessen ausreichend bewußt war, um bei Sir Basil Beschwerde anzumelden. Rein zufällig wurde Hester Zeugin des Gesprächs. Da sie ebenso unsichtbar war wie der Rest des Personals, sahen weder Basil noch Fenella sie in dem überwölbten Durchgang zwischen Wintergarten und Salon stehen. Hester hatte sich dorthin zurückgezogen, weil es einem einsamen Spaziergang am nächsten kam. Sie durfte zwar den Aufenthaltsraum der Zofen benutzen, was sie auch tat, wenn sie lesen wollte, aber dort bestand jederzeit die Gefahr, Mary oder Gladys über den Weg zu laufen und sich auf eine Unterhaltung einlassen oder die sonderbare Wahl ihrer Lektüre erklären zu müssen.
»Basil!« Fenella rauschte kochend vor Wut auf ihren Bruder zu. »Ich muß mich wirklich über das Personal in diesem Haus beschweren. Du scheinst es nicht zu merken, aber seit dem Prozeß dieses elenden Lakaien hat die Qualität der Dienstleistungen erschreckend nachgelassen. Mein Morgentee war jetzt schon drei Tage hintereinander so gut wie kalt. Die dumme Gans von Wäschemagd hat mein bestes Spitzenneglige verlegt. Das Feuer in meinem Schlafzimmer ist ausgegangen, und nun ist es dort so kalt wie in einem Grab. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich unter diesen Umständen anziehen soll. Ich werde mir noch den Tod holen.«
»Paßt doch gut zu einem Grab«, gab Basil trocken zurück.
»Sei kein Narr!« fuhr sie ihn an. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Scherze. Warum in aller Welt nimmst du das plötzlich hin? Das hast du doch sonst nicht getan. Du warst immer der strengste Mensch, den ich kenne - noch schlimmer als Papa.«
Hester konnte von ihrem Standort aus Fenellas Rücken und Basils Gesicht in voller Größe sehen. Es nahm einen verkniffenen Ausdruck an.
»Meine Anforderungen an die Arbeitsleistung sind so hoch wie eh und je«, sagte er kalt. »Ich weiß nicht, was du meinst, Fenella. Mein Tee war kochend heiß, mein Feuer lodert, und seitdem ich hier lebe, ist noch nie eins meiner Kleidungsstücke im Waschraum verlorengegangen.«
»Der Toast auf meinem Frühstückstablett war halb verkohlt«, fuhr Fenella ungerührt fort zu zetern. »Meine Bettwäsche ist nicht gewechselt worden, und als ich Mrs. Willis darauf ansprach, speiste sie mich mit einem Haufen fadenscheiniger Ausflüchte ab. Sie hat nicht einmal richtig zugehört. Du bist nicht mehr Herr in deinem Haus, Basil. Ich würde ein solches Verhalten keine Sekunde lang dulden. Gut, du bist nicht aus demselben Holz wie Papa, aber ich hätte nie gedacht, daß du derart zusammenbrechen würdest und zuläßt, daß um dich herum alles auseinanderfällt.«
»Wenn es dir hier nicht paßt, meine Liebe«, erwiderte er boshaft, »steht es dir jederzeit frei, dir eine andere Bleibe zu suchen und sie deinen Wünschen entsprechend zu verwalten.«
»Ja, das ist genau die Antwort, die ich von dir erwartet habe! Aber im Moment kannst du mich schlecht aus dem Haus werfen. Zu viele Leute sehen auf dich, und was würden die wohl dazu sagen? Der wundervolle Sir Basil, der wohlhabende Sir Basil«, sie zog verächtlich die Mundwinkel herab, »der edle Sir Basil, vor dem jeder den Hut zieht, setzt seine verwitwete Schwester vor die Tür. Ich glaube nicht, daß du das tun wirst, mein Lieber, ich glaube nicht. Erst wolltest du Papa immer das Wasser reichen, dann wolltest du ihn noch übertreffen. Die Meinung der Leute ist dir wichtiger als alles andere. Vermutlich hast du Harry Hasletts Vater deshalb so gehaßt, schon in der Schule - weil er mit links erreicht hat, wofür du unglaublich hart arbeiten mußtest. Und jetzt hast du es geschafft. Du hast Geld, einen ausgezeichneten Ruf, Einfluß - du würdest das niemals aufs Spiel setzen, indem du mich rauswirfst. Wie würde das aussehen?« Sie lachte hart auf. »Was würden die Leute denken? Sorg endlich dafür, daß deine Angestellten ihre Arbeit tun!«
»Ist dir jemals in den Sinn gekommen, Fenella, daß sie dich so behandeln, weil du ihre wunden Punkte vom Zeugenstand in alle Welt hinausposaunt hast - daß du selbst daran schuld bist?« Er betrachtete sie mit einer Mischung aus Abscheu und
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