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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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für jemanden entscheiden, der Erfahrung auf dem Schlachtfeld hat, aber noch nicht verwundet worden ist, dem eine Niederlage oder ein Fehlschlag noch nicht die Kräfte geraubt haben, dessen Seele noch nicht so vernarbt ist, daß er sich nicht mehr auf seinen Kampfgeist verlassen kann.«
    Tallis starrte sie sprachlos an.
    »Erst einmal zum Kommandanten ernannt, wäre Harry Haslett dafür doch geradezu ideal gewesen, oder nicht?«
    »Ja, das wäre er.« Die Antwort war kaum zu verstehen.
    »Und Sir Basil hat dafür gesorgt, daß er befördert und in Lord Cardigans Light Brigade versetzt wurde. Könnte es sein, daß noch Fragmente des Schriftverkehrs zu diesem Thema existieren?«
    »Warum, Miss Latterly? Wonach suchen Sie wirklich?«
    Ihn anzulügen wäre gemein gewesen, und sie verscherzte sich dadurch vielleicht seine Sympathie.
    »Nach der Wahrheit über Octavia Hasletts Tod«, gab sie zurück.
    Er seufzte tief. »Wurde sie nicht von einem Dienstboten ermordet? Ich erinnere mich, etwas Derartiges in den Zeitungen gelesen zu haben. Der Mann ist gehängt worden, nicht wahr?«
    »Ja«, bestätigte sie mit dem unerträglichen Gefühl, furchtbar versagt zu haben. »Aber Octavia hat an ihrem Todestag etwas in Erfahrung gebracht, das sie hinreichend entsetzte, um ihrem Onkel zu erzählen, sie hätte ein schreckliches Geheimnis gelüftet, wofür sie allerdings noch einen hieb und stichfesten Beweis brauchte. Ich habe allmählich den Verdacht, daß es mit dem Tod ihres Mannes zusammenhing. Und es geschah am gleichen Tag, an dem sie selbst sterben mußte. Bisher nahmen wir an, ihre Entdeckung beträfe den lebenden Teil ihrer Familie, aber das stimmt vielleicht gar nicht. Major Tallis, könnte man herausfinden, ob sie an diesem Tag hier war - ob sie mit jemandem gesprochen hat?«
    Jetzt war er eindeutig beunruhigt.
    »Wann war das?« Sie sagte es ihm.
    Er zerrte nervös an einem Klingelzug, woraufhin ein junger Soldat erschien, der sofort Haltung annahm.
    »Würden Sie Colonel Sidgewick bitte meine besten Wünsche ausrichten, Payton, und ihn fragen, ob Captain Harry Hasletts Witwe irgendwann Ende November vergangenen Jahres in seinem Büro war? Die Angelegenheit ist von äußerster Wichtigkeit, es geht um Leben und Tod. Ich wäre ihm sehr verbunden, wenn er mir so schnell wie möglich genaue Auskunft geben könnte. Diese Dame hier, eine von Miss Nightingales Helferinnen, wartet auf seine Antwort.«
    »Sir!« Der Offiziersanwärter salutierte heftig, machte auf den Hacken kehrt und verschwand.
    Major Tallis bat um Verständnis, daß Hester sich solange im Warteraum würde aufhalten müssen, aber es gäbe noch andere Verpflichtungen, die es einzuhalten gälte. Sie verstand das durchaus und versicherte ihm, mit nichts anderem gerechnet zu haben und vollkommen zufrieden zu sein. Sie würde Briefe schreiben oder sich sonstwie beschäftigen.
    Es dauerte nicht lange, etwa fünfzehn oder zwanzig Minuten, dann war der Oberleutnant zurück. Sobald er das Büro wieder verlassen hatte, rief Tallis sie herein. Sein Gesicht war kreidebleich, sein Blick beunruhigt und voller Mitgefühl.
    »Sie haben vollkommen recht«, sagte er tonlos. »Octavia Haslett war tatsächlich an dem Nachmittag, bevor sie starb, hier und sprach mit Colonel Sidgewick. Sie erfuhr dasselbe von ihm, was Sie von mir erfahren haben. Aus ihren Worten und ihrem Benehmen zu schließen, schien sie gewisse Schlüsse daraus zu ziehen. Ich bin ehrlich betroffen, ich fühle mich zutiefst schuldig, obwohl ich nicht weiß, warum. Vielleicht weil all das geschehen konnte, ohne daß jemand es verhindert hat. Glauben Sie mir, Miss Latterly, es tut mir aufrichtig leid.«
    »Danke - danke vielmals, Major Tallis.« Hester zwang sich zu einem halbherzigen Lächeln. Ihre Gedanken rasten. »Das werde ich Ihnen nie vergessen.«
    »Was werden Sie jetzt tun?« fragte er eindringlich.
    »Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was ich tun kann. Ich werde erst einmal mit dem zuständigen Polizeibeamten reden.«
    »Ja, Miss Latterly, tun Sie das. Und bitte, seien Sie vorsichtig. Ich…«
    »Keine Angst«, sagte sie rasch. »Ich habe viel über Vertrauen gelernt. Ihr Name wird nicht erwähnt werden, ich gebe Ihnen mein Wort darauf - und jetzt muß ich gehen. Nochmals vielen Dank.« Ohne ihm noch eine Chance zu einer weiteren Äußerung zu geben, lief sie davon, rannte fast durch den endlos langen Korridor und schlug dreimal die falsche Richtung ein, bis sie endlich den Ausgang erreichte.
    Hester hatte sich

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