Gefährliche Trauer
ihr Bett zu legen, falls sie es wirklich in Basils Arbeitszimmer getan hat.«
Der Gedanke war verblüffend schmerzhaft. Hester sah Cyprians Gesicht vor sich, das zu einer so erstaunlichen Bandbreite von Gefühlsbekundungen fähig war. Es würde zu ihm passen, die Tat seiner Schwester vertuschen zu wollen, um ihren Namen zu retten und dafür zu sorgen, daß sie auf geweihtem Boden bestattet, daß angemessen um sie getrauert wurde.
Aber Percival hatte dafür hängen müssen.
»Hätte Cyprian wirklich Percivals Hinrichtung zugelassen, obwohl ihm dessen Unschuld bekannt war?« sagte sie laut. Sie wünschte von Herzen, die Möglichkeit als absurd abtun zu können, doch es stand ihr deutlich vor Augen, wie Cyprian Romolas Druck nachgegeben hatte. Außerdem schien er von allen am heftigsten um Octavia zu trauern, am meisten unter ihrem Tod zu leiden.
»Wie steht's mit Septimus?« fragte Monk.
Es war genau die leichtsinnige, in emotionalem Überschwang begangene Handlung, zu der Septimus imstande wäre.
»Nein«, widersprach Hester vehement. »Er hätte niemals zugelassen, daß Percival gehängt wird.«
»Myles schon.« Monk sah sie eindringlich an; seine Miene war finster und gespannt. »Um den Familiennamen zu retten. Sein eigener Status ist untrennbar mit dem der Moidores verknüpft - er ist völlig abhängig. Araminta könnte ihm geholfen haben oder auch nicht.«
Hester dachte an die seltsame Episode in der Bibliothek, an die explosive Spannung zwischen Myles und Araminta. Araminta wußte mit Sicherheit, daß Myles Octavia nicht umgebracht hatte, hatte dennoch genau diesen Eindruck bei Monk erweckt und dann seelenruhig zugesehen, wie Myles vor Angst schwitzte. Das war eine besondere Form von Haß. Wurde er von dem Grauen ihrer brutalen Hochzeitsnacht genährt oder von dem Wissen, daß er das Stubenmädchen Martha vergewaltigt hatte?
»Basil selbst womöglich?« schlug sie vor.
»Oder Basil wegen des guten Rufs und Lady Moidore aus Liebe? Fenella ist die einzige, die meiner Meinung nach weder Mittel noch Motiv hatte.« Monks Gesicht war aschfahl. Sein Blick war derart gequält und schuldbewußt, daß sie plötzlich von grenzenloser Bewunderung für seine Aufrichtigkeit vor sich selbst erfaßt wurde. Gleichzeitig stieg Wärme in ihr auf, weil er zu enormem Mitgefühl fähig war, was er jedoch gemeinhin hervorragend zu verbergen verstand.
»Das sind natürlich alles Spekulationen«, sagte sie wesentlich freundlicher. »Ich weiß nicht, wie wir auch nur eine davon beweisen könnten. Selbst wenn wir das Ganze herausgefunden hätten, bevor Percival angeklagt wurde, hätten wir keine Beweise gehabt. Deswegen bin ich hier - und weil ich mein Wissen mit Ihnen teilen wollte, selbstverständlich.«
Monk war anzusehen, wie konzentriert er nachdachte. Während Hester wartete, drangen die Arbeitsgeräusche aus Mrs.
Worleys Küche an ihr Ohr, begleitet vom Klappern der Kutschen und Lastkarren draußen auf der Straße.
»Falls sie tatsächlich Selbstmord begangen hat«, sagte er nach einer Weile, »muß jemand das Messer, als die Leiche entdeckt wurde, entfernt und in die Küche zurückgelegt haben; vielleicht hat er es auch behalten, aber das kommt mir eher unwahrscheinlich vor. Soweit wir bisher erkennen können, handelte es sich nicht um einen panischen Akt. Und wenn das Messer zurückgelegt wurde… nein, stop!« Er schnitt eine ungeduldige Grimasse. »Das Neglige wurde zweifellos nicht zurückgelegt. Beides muß an einem Platz versteckt worden sein, wo wir nicht nachgesehen haben. Trotzdem fanden wir keinen Anhaltspunkt dafür, daß jemand das Haus zwischen dem Augenblick ihres Todeseintritts und dem Zeitpunkt verlassen hat, als Arzt und Polizei verständigt wurden.« Er starrte sie an, als würde er krampfhaft versuchen, ihre Gedanken zu lesen, hörte aber nicht auf zu sprechen. »In einem Haus mit soviel Personal, von dem ein Teil bereits um fünf Uhr morgens auf den Beinen ist, dürfte es relativ schwierig sein, ungesehen zu verschwinden.«
»Bestimmt gab es Stellen in den Räumen der Familie, die bei der Durchsuchung übersehen worden sind, meinen Sie nicht?«
»Es scheint so.« Monks Miene verfinsterte sich zusehends.
»Gott, wie unmenschlich! Der oder die Täter müssen das Messer und das Neglige - an dem ihr Blut klebte! - mitgenommen haben, für den Fall, daß sie die Beweisstücke noch einmal brauchen könnten; um irgendeinen armen Teufel zu belasten, zum Beispiel.« Er erschauerte, und auch Hester hatte
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