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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Wintersonne schien matt durch die Fenster und malte schwache Muster auf den Teppich. Sie war keiner Menschenseele begegnet. Das gesamte Hauspersonal war beschäftigt; die Zofen kümmerten sich um die Garderobe, die Haushälterin war in ihrer Wäschekammer, die Mädchen fürs Obergeschoß machten die Betten, drehten Matratzen um und staubten ab, das Nesthäkchen steckte irgendwo im Flur. Dinah und die Lakaien hielten sich im vorderen Teil des Hauses auf, Romola beaufsichtigte im Schulzimmer ihre Kinder, Araminta schrieb Briefe im Boudoir, die männlichen Mitglieder der Familie waren unterwegs, Beatrice hütete wie üblich ihr Zimmer.
    Beatrice war die einzige, die von der zerrissenen Spitze wußte, folglich hätte sie nicht den Fehler gemacht, das Neglige mit Blut zu besudeln. Nicht, daß Hester sie ernsthaft verdächtigt hätte, schon gar nicht allein. Sie konnte theoretisch zwar mit Sir Basil unter einer Decke stecken, hatte andererseits jedoch Angst, weil jemand ihre Tochter ermordet hatte und sie nicht wußte wer. Sie hatte sogar befürchtet, daß Myles derjenige sein könnte. Hester überlegte für den Bruchteil einer Sekunde, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Wozu hätte sie sich die Mühe machen sollen? Sie hatte keine Ahnung, daß Hester das, was sie sagte, weitererzählen würde.
    Wer war darüber im Bilde gewesen, welches Neglige Octavia an jenem Abend getragen hatte? Den Salon mußte sie vollständig angekleidet verlassen haben, wie die anderen Frauen auch. Wer hatte sie gesehen, nachdem sie sich für die Nacht umgezogen hatte?
    Nur Araminta - und ihre Mutter.
    Stolze, schwierige, kalte Araminta. Sie hatte den Selbstmord ihrer Schwester vertuscht und, als es unumgänglich wurde, den Sündenbock für einen Mord zu finden, Percival für diese Rolle auserkoren.
    Sie konnte es jedoch unmöglich allein getan haben. Araminta war dünn, beinah unterernährt. Sie hätte es niemals geschafft, Octavias Leiche nach oben zu verfrachten. Wer hatte ihr geholfen? Myles? Cyprian? Basil?
    Und wie sollte sie das beweisen?
    Der einzig wirkliche Beweis war Beatrices Wort bezüglich der Lilien. Würde sie es beschwören, auch wenn ihr klar wurde, was davon abhing?
    Hester brauchte einen Verbündeten. Monk stand zwar draußen - sie hatte seine dunkle Gestalt jedesmal gesehen, wenn sie vor dem verabredeten Fenster aufgetaucht war -, aber hier war er machtlos.
    Septimus! Nur bei ihm war sie sicher, daß er nichts mit dem Ganzen zu tun hatte und genügend Mut besaß, notfalls zu kämpfen. Und Mut brauchten sie ganz bestimmt. Percival war tot, alle andern betrachteten die Angelegenheit als erledigt. Es wäre wesentlich einfacher, die Dinge auf sich beruhen zu lassen.
    Hester änderte die Richtung und ging statt zu Beatrices Zimmer zu Septimus'.
    Er saß gegen einen Berg aus Kissen gelehnt im Bett und las, das Buch auf Armeslänge von sich gestreckt, um seinen weitsichtigen Augen Genüge zu tun. Als sie hereinkam, blickte er überrascht auf. Es ging ihm soviel besser, daß ihre Besuche inzwischen eher freundschaftlicher als beruflicher Natur waren. Er merkte sofort, daß ihr etwas zusetzte.
    »Was ist passiert?« erkundigte er sich bestürzt und klappte sein Buch zu, ohne ein Lesezeichen einzulegen.
    Es war vergeudete Zeit, sich mit langen Vorreden aufzuhalten. Hester schloß die Tür, durchquerte den Raum und setzte sich auf die Bettkante.
    »Ich habe eine Entdeckung hinsichtlich Octavias Tod gemacht genaugenommen zwei.«
    »Und die sind offenbar sehr schwerwiegend«, sagte er ernst.
    »Wie ich sehe, sind Sie ziemlich beunruhigt. Worum handelt es sich?«
    Sie atmete tief durch. Falls sie sich irrte, er in die Geschichte verwickelt, der Familie gegenüber loyaler und weniger mutig war, als sie annahm, manövrierte sie sich in eine Situation, aus der sie allein nicht mehr herausfand. Trotzdem konnte sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen.
    »Sie starb nicht in ihrem Schlafzimmer. Ich weiß, wo sie wirklich starb.« Sie behielt ihn genau im Auge, doch Septimus' Miene verriet nichts als Interesse, keine Spur von erwachendem Schuldbewußtsein. »In Sir Basils Arbeitszimmer.«
    »In Basils Arbeitszimmer?« fragte er verwirrt. »Aber das ergibt keinen Sinn, meine Liebe! Weshalb sollte Percival dorthin gegangen sein, wenn er etwas von ihr wollte? Und was hatte sie da mitten in der Nacht zu suchen?« Plötzlich wich alle Farbe aus seinem Gesicht. »Oh - Sie meinen, Sie wissen, was sie an diesem Tag herausgefunden hat? Hängt es

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