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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ich informiert bin, haben Sie jetzt eine Stellung in einem Londoner Krankenhaus, ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Die Ihnen von selbiger Lady Callandra Daviot vermittelt worden ist?«
    »Dank ihrer Empfehlung, aber ich denke doch, aufgrund meiner eigenen Befähigung.«
    »Das sei einmal dahingestellt - dank ihrem Einfluß jedenfalls? Nein, bitte sehen Sie nicht hilfesuchend in Mr. Rathbones Richtung. Beantworten Sie einfach meine Frage, Miss Latterly.«
    »Ich brauche Mr. Rathbones Beistand nicht«, versetzte Hester erbost. »Ihre Frage kann ich so oder so nicht beantworten. Ich weiß nicht, was sich zwischen Lady Callandra und der Krankenhausleitung abgespielt hat. Sie schlug vor, mich zu einem Vorstellungsgespräch kommen zu lassen, ich zeigte meine Referenzen die nicht unbeträchtlich sind - und bekam die Stelle. Nur wenige von Miss Nightingales Schwestern haben Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden, wenn sie wirklich eine suchen.«
    »Sehr richtig, Miss Latterly.« Er lächelte dünn. »Aber nur wenige suchen wirklich eine, so wie Sie, nicht wahr? Miss Nightingale selbst stammt aus einer hochangesehenen Familie, die problemlos finanziell für sie aufkommen kann.«
    »Daß meine Familie dazu nicht in der Lage war und meine Eltern heute tot sind, ist Grundlage des Verbrechens, das uns hier zusammengeführt hat, Sir«, sagte sie mit deutlich siegessicherem Unterton. Egal, was er dachte oder fühlte, die Geschworenen würden sie verstehen, und schließlich waren sie es, die entscheiden mußten, mochten die Anwälte noch soviel reden.
    »In der Tat«, gab er eine Spur irritiert zurück. Im weiteren Verlauf seiner Befragung wollte er noch einmal wissen, wie gut sie das Opfer gekannt hatte, und unterstellte dabei auf äußerst subtile, aber unmißverständliche Weise, sie wäre seinem sattsam bekannten Charme erlegen, hätte sich in ihn verliebt und dann, als er sie abwies, den Wunsch gehegt, ihn quasi aus Rachegelüsten anzuschwärzen. Er schreckte nicht einmal vor der Andeutung zurück, sie hätte am Ende gar mitgeholfen, das Verbrechen zu vertuschen, und sich von Anfang an bereit erklärt, für Menard Grey auszusagen.
    Hester glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen, aber als die Versuchung, sich mit einem Wutausbruch Erleichterung zu verschaffen, zu groß wurde, besann sie sich mit einem raschen Blick auf Menard Grey's Gesicht auf das, was wirklich zählte.
    »Das ist nicht wahr«, sagte sie ruhig. Sie zog kurz in Erwägung, dem Staatsanwalt seine schmutzige Phantasie vorzuwerfen, fing jedoch Oliver Rathbones Blick auf und hielt sich abermals zurück.
    In dem Moment entdeckte sie Monk. Ein frohes, fast glückliches Gefühl durchrieselte ihren Körper, als sie den unverhohlenen Zorn in seinem Gesicht sah, während er den Staatsanwalt fassungslos anstarrte.
    Der Mann schien seine Taktik plötzlich geändert zu haben, denn er traktierte sie nicht länger. Sie durfte den Zeugenstand verlassen und im Gerichtssaal bleiben, da sie ihre Schuldigkeit getan hatte und offensichtlich nicht mehr wichtig war. Sie suchte sich ein freies Fleckchen und lauschte Callandras Aussage. Auch sie wurde erst von Rathbone, dann - in wesentlich freundlicherem Ton - vom Staatsanwalt vernommen. Er wußte, daß die Geschworenen auf den Versuch, die Witwe eines Militärchirurgen - obendrein eine Lady - zu drangsalieren oder zu beleidigen, ohne Verständnis reagieren würden. Hester achtete nicht auf Callandra, um sie brauchte man keine Angst zu haben, sondern auf die Gesichter der Juroren. Eine ganze Palette im Wandel begriffener Gefühle zeichnete sich darauf ab: Wut, Mitleid, Verwirrung, Respekt, Verachtung.
    Als nächster Zeuge wurde Monk aufgerufen und vereidigt. Im Warteraum hatte sie gar nicht bemerkt, wie gut er angezogen war. Sein Mantel war ausgezeichnet geschnitten und konnte nur aus erstklassigem Wollstoff bestehen, denn nichts anderes hätte derart gut gesessen. Was für ein eitler Fratz! Wie konnte er sich solche Kleidungsstücke mit seinem schmalen Polizistengehalt leisten? Doch dann überlegte sie mit einem Anflug von Mitleid, daß er es vermutlich selbst nicht wußte - noch nicht. Dieser extravagante Mantel konnte ein Beweis purer Eitelkeit sein, aber auch die Belohnung für jahrelanges Schuften und Sparen, für das Einlegen von Sonderschichten, wenn die andern sich längst zu Hause auf den Sofas lümmelten oder es sich in einem Variete oder Pub gutgehen ließen.
    Rathbone begann ihm Fragen zu stellen, nicht besonders laut, denn

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