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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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im Ermessen des Richters, nicht bei ihnen.
    Monk hegte offensichtlich dieselben Gedanken, sein finsterer Blick verriet es deutlich.
    »Hoffen wir, daß er bei Seiner Lordschaft ähnlich viel Erfolg hat«, meinte er trocken. »Ein Leben in Coldbath Fields wäre schlimmer als der Strick.«
    »Kommen Sie morgen wieder?« fragte Hester.
    »Ja, am Nachmittag. Vorher werden sie ihr Urteil kaum gefällt haben. Und Sie?«
    »Sicher…« Sie überlegte kurz, was Pomeroy wohl dazu sagen würde. »Aber ich würde auch erst später kommen, wenn Sie wirklich glauben, daß der Schuldspruch nicht eher feststeht. Ich möchte mich im Krankenhaus nicht gern ohne triftigen Grund vom Dienst freistellen lassen.«
    »Und Sie meinen, Ihr Wunsch, den Schuldspruch zu hören, wird als triftiger Grund anerkannt?«
    Sie schnitt eine kleine Grimasse. »Bestimmt nicht. Ich werde mein Anliegen anders formulieren müssen.«
    »Entspricht es Ihren Vorstellungen - das Krankenhaus?« Er war genauso offen und direkt, wie sie ihn in Erinnerung hatte, sein Verständnis ebenso tröstlich.
    »Nein…« Es kam ihr gar nicht in den Sinn zu schwindeln.
    »Überall mangelndes Fachwissen, unnötiges Leid, geradezu alberne Riten, die so leicht umzuorganisieren wären, wenn die Leitung nur ihre dumme Selbstbeweihräucherung lassen und sich auf das Ergebnis konzentrieren könnte.« Sie erwärmte sich allmählich für das Thema, woran sein Interesse nicht ganz unschuldig war. »Der Großteil des Problems liegt in ihrer Vorstellung von Krankenpflege und den Leuten, die sie ausüben sollten. Sie zahlen nur sechs Shillinge die Woche, teilweise sogar in Bier! Viele Pfleger sind fast ständig betrunken. Das Krankenhaus kommt inzwischen für ihre Verpflegung auf, was schon ein Fortschritt ist, denn dann fallen sie wenigstens nicht über das Essen der Patienten her. Sie können sich vermutlich vorstellen, welche Sorte Mensch sich davon angezogen fühlt! Die meisten von ihnen können weder lesen noch schreiben.« Sie zuckte resigniert mit den Achseln. »Sie schlafen vor den Krankensälen auf dem Fußboden, es gibt viel zu wenig Waschmöglichkeiten und Handtücher für sie, nur ein bißchen Conde's-Lösung und hin und wieder ein winziges Stück Seife damit sie sich wenigstens die Hände waschen können, wenn sie die Exkremente der Kranken beseitigt haben.«
    Sein Lächeln wurde breiter, aber sein Blick blieb ernst.
    »Und Sie?« wollte Hester wissen. »Arbeiten Sie immer noch für Mr. Runcorn?« Sie fragte ihn absichtlich nicht, ob er mittlerweile mehr über sich in Erfahrung gebracht hatte. An diesem Punkt war er empfindlich, und es ging sie wirklich nichts an. Das Thema Runcorn war heikel genug.
    »Ja.« Jetzt war er an der Reihe, eine Grimasse zu schneiden.
    »Mit Sergeant Evan als Partner?« Sie mußte unwillkürlich schmunzeln.
    »Ja, mit Evan.« Monk zögerte. Er schien etwas hinzufügen zu wollen, doch in dem Moment kam Oliver Rathbone die Treppe herunter, in Straßenkleidung; Robe und Perücke hatte er abgelegt.
    Er sah außerordentlich schmuck aus und schien bester Laune zu sein. Monks Augen wurden schmal, aber er enthielt sich jeglichen Kommentars.
    »Glauben Sie, es besteht Grund zur Hoffnung, Mr. Rathbone?« erkundigte sich Hester eifrig.
    »Zur Hoffnung, Miss Latterly«, erwiderte er vorsichtig.
    »Nicht, sich in Sicherheit zu wiegen.«
    »Vergessen Sie nicht, daß es der Richter ist, den Sie beeindrucken müssen, Rathbone«, sagte Monk schroff, während er seinen Mantel zuknöpfte. »Nicht Miss Latterly oder das Publikum - nicht einmal die Geschworenen! Ihre Vorstellung mag ja brillant gewesen sein, aber das ist nur Schein und hat nichts mit dem Wesentlichen zu tun.« Ehe Rathbone zu einer Erwiderung ansetzen konnte, machte er eine leichte Verbeugung vor Hester, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand in der dunkler werdenden Straße.
    »Diesem Burschen mangelt es ein wenig an Charme«, bemerkte Rathbone säuerlich. »Aber den braucht er in seinem Beruf wohl auch nicht. Darf ich Sie in meiner Kutsche irgendwohin mitnehmen, Miss Latterly?«
    »Ich halte Charme für eine recht zweifelhafte Charakterstärke«, sagte Hester nach reiflicher Überlegung.
    »Dafür ist der Fall Grey das beste Beispiel!«
    »Ja, ich glaube gern, daß Sie dem nicht viel Wert beimessen, Miss Latterly.« Er schaute sie mit unterdrückter Belustigung an.
    »Oh…!« Hester suchte vergebens nach einer ähnlich subtil unverschämten Entgegnung. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, ob

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