Gefährliche Trauer
Anfall von Wut stob das rothaarige Mädchen mit klappernden Absätzen aus der Küche und über den nackten Boden des Korridors von dannen.
»Und rausch hier gefälligst nicht so raus!« schrie die Köchin hinter ihr her. »Freches Gör. Hat 'n Auge auf den Lakai von nebenan geschmissen, das ist ihr Problem. Faule Bagage!« Sie wandte sich wieder Monk zu. »Wenn Sie sonst nix von mir wollen, gehn Sie mir jetzt aus'm Weg. Sie können in Mr. Phillips' Vorratskammer mit den Lakaien sprechen. Der hat im Keller zu tun und wird Sie nicht stören.«
Monk gehorchte und wurde von Willie, dem Stiefelputzer, in des Butlers Allerheiligstes geführt. Dort hob Phillips sämtliche Schlüssel und Rechnungsbücher sowie das regelmäßig verwendete Silberbesteck auf, außerdem benutzte er den Raum gern als Aufenthaltsort, wenn er frei hatte. Das Zimmer war beheizt und ausgesprochen gemütlich, wenn auch zweckdienlich möbliert.
Harold, der jüngere der beiden Lakaien, entpuppte sich als stämmiger, blondhaariger Bursche. Abgesehen von seiner Größe glich er Percival in nichts. Sofern er nicht irgendwelche Qualitäten besaß, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich waren, fand Monk, mußten seine Tage in diesem Haus gezählt sein. Er stellte ihm einige Fragen, wahrscheinlich dieselben, die er bereits von Evan zu hören bekommen hatte, woraufhin Harold einige gut einstudierte Antworten zum besten gab. Monk hatte erhebliche Schwierigkeiten, sich diesen Jüngling als den von Fenella heraufbeschworenen Schürzenjäger vorzustellen.
Was Percival anbelangte, verhielten sich die Dinge vollkommen anders. Er war selbstsicher, kämpferisch und durchaus in der Lage, sich zu verteidigen. Sobald Monk in ihn zu dringen versuchte, witterte er persönliche Gefahr. Mit unerschrockenem Blick und erstaunlicher Schlagfertigkeit setzte er sich geschickt zur Wehr.
»Jawohl, Sir, ich weiß, daß Mrs. Haslett von jemandem aus dem Haus getötet wurde. Das bedeutet allerdings nicht, daß es automatisch einer von uns war. Weshalb sollten wir so etwas tun? Man hätte nichts dadurch zu gewinnen, aber alles zu verlieren. Außerdem war sie eine sehr nette Lady. Es bestand nicht der geringste Anlaß, ihr so übel mitzuspielen.«
»Sie mochten sie?«
Percival lächelte. Er wußte schon lange bevor Monk diese Frage stellte, worauf der Inspektor hinauswollte. Ob dafür ein schlechtes Gewissen oder ein gut funktionierender Verstand verantwortlich war, war unmöglich zu sagen.
»Ich sagte, sie war eine sehr nette Lady. Zu nahe getreten bin ich ihr nicht, falls es das ist, was Sie hören wollen!«
»Sie sind aber fix mit Ihren Schlußfolgerungen«, entgegnete Monk. »Wie kommen Sie darauf, daß ich ausgerechnet das hören will?«
»Weil Sie versuchen, einem von uns die Schuld in die Schuhe zu schieben, damit oben niemand in Verlegenheit gebracht wird«, gab Percival unverblümt zurück. »Bloß weil ich in Livree bin und die ganze Zeit ›ja, Sir, nein, Ma'am‹ sage, muß ich noch lange nicht dumm sein. Sie als Polizist sind keinen Deut besser als ich…«
Monk zuckte zusammen.
»Außerdem wissen Sie ganz genau, daß es Sie Kopf und Kragen kosten kann, wenn Sie eins der Familienmitglieder beschuldigen.« Endlich war er fertig.
»Wenn mir diesbezüglich Beweise vorliegen würden, würde ich auch ein Familienmitglied beschuldigen«, erwiderte Monk scharf. »Bisher ist das nicht der Fall.«
»Dann suchen Sie vielleicht nicht sorgfältig genug.« Percivals Verachtung war nicht zu überhören. »Wenn man nichts finden will, tut man's auch nicht. Und passen würde es Ihnen bestimmt nicht, oder?«
»Oh, ich werde überall nachsehen, wo ich auf etwas zu stoßen hoffe«, versicherte Monk. »Sie halten sich Tag und Nacht in diesem Haus auf. Sagen Sie mir, wo ich anfangen soll.«
»Hm. Mr. Thirsk bedient sich heimlich aus dem Keller - hat im Lauf der letzten Jahre schon die Hälfte des guten Portweins vernichtet. Keine Ahnung, wie er's schafft, nicht die ganze Zeit betrunken zu sein.«
»Wäre das ein Grund gewesen, Mrs. Haslett zu töten?«
»Vielleicht schon - wenn sie Bescheid wußte und ihn bei Sir Basil verpfeifen wollte. Sir Basil hätte garantiert ziemlich heftig darauf reagiert. Womöglich wäre der alte Knabe im hohen Bogen rausgeflogen.«
»Warum tut er es dann?«
Percival zuckte kaum merklich mit den Achseln. Es war keineswegs die Gebärde eines Dienstboten.
»Woher soll ich das wissen? Jedenfalls stimmt's. Hab ihn oft genug die Treppe
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