Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Sie würden es jederzeit wieder tun?«
    »Ich…«
    »Lügen Sie mich nicht an, meine Liebe. Ich hege dahingehend nicht den leisesten Zweifel. Ein Jammer, daß Frauen nicht Medizin studieren dürfen. Sie würden eine hervorragende Ärztin abgeben. Sie sind intelligent, haben ein gutes Urteilsvermögen und eine Menge Courage, ohne dabei eingebildet zu sein. Sie sind allerdings eine Frau, und damit wäre das Thema gestorben.« Sie ließ sich auf einem breiten, ungeheuer bequem aussehenden Sofa nieder und forderte Hester mit einer Handbewegung auf, ihrem Beispiel zu folgen. »Und wie sind Ihre Pläne für die Zukunft?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Das hatte ich auch nicht erwartet. Nun, vielleicht sollten Sie mich für den Anfang erst einmal ins Theater begleiten. Sie haben einen sehr nervenaufreibenden Tag hinter sich, da ist ein kleiner Abstecher ins Reich der Phantasie vermutlich ein angenehmer Kontrast. Hinterher besprechen wir dann, wie es weitergehen soll. Verzeihen Sie mir die taktlose Frage, aber verfügen Sie über ausreichende Mittel, daß Ihre Versorgung für die nächsten ein zwei Wochen gewährleistet ist?«
    »Ich… ja.«
    »Ich hoffe, das stimmt.« Callandras widerspenstige Brauen wölbten sich skeptisch. »Gut. Das verschafft uns etwas Zeit. Falls nicht, sind Sie in meinem Haus herzlich willkommen, bis Sie etwas Passendes gefunden haben.«
    Besser gleich die ganze Wahrheit sagen.
    »Ich habe meine Befugnisse überschritten«, gestand Hester.
    »Pomeroy war außer sich vor Wut und wird mir ganz sicher kein Empfehlungsschreiben ausstellen. Es würde mich nicht einmal überraschen, wenn er sämtlichen Kollegen von meinem Benehmen erzählt.«
    »Das denke ich auch«, pflichtete Callandra ihr bei. »Wenn er daraufhin angesprochen wird. Aber solange das Kind lebt und es ihm gutgeht, wird er das Thema kaum anschneiden, sofern er nicht unbedingt muß.« Sie musterte Hester mit kritischem Blick.
    »Du meine Güte, Sie sind nicht gerade für einen Theaterbesuch gekleidet, nicht wahr? Was soll's, jetzt ist es zu spät, um noch viel daran zu ändern. Sie müssen eben mitkommen, wie Sie sind. Was halten Sie davon, wenn mein Mädchen Ihre Frisur ein wenig auf Vordermann bringt? Das würde schon eine Menge ausmachen. Gehen Sie nach oben und richten Sie ihr meine Bitte aus.«
    Hester zögerte. Ihr ging das alles viel zu schnell.
    »Los, los, sitzen Sie hier nicht tatenlos rum«, rief Callandra aufmunternd. »Haben Sie schon gegessen? Wir können im Theater zwar eine Erfrischung zu uns nehmen, aber eine richtige Mahlzeit gibt es dort nicht.«
    »Doch - ja, habe ich. Danke…«
    »Dann machen Sie schon und lassen Sie sich frisieren.
    Beeilen Sie sich!«
    Hester gehorchte, weil ihr nichts Besseres einfiel.
    Das Theater quoll über vor Leuten, die wild entschlossen waren, sich zu amüsieren. Die weiblichen Besucher trugen moderne Reifröcke aus Samt und Seide mit angesteckten Blumen, Spitzenbesatz, Rüschen und Bändern - mit allem eben, was die Weiblichkeit betont. Hester kam sich unbeschreiblich farblos vor. Ihr war nicht im mindesten nach Lachen zumute, und allein der Gedanke, mit einem oberflächlichen, idiotischen jungen Kerl herumschäkern zu müssen, ließ sie beinahe ihr letztes bißchen Beherrschung verlieren. Es war ausschließlich ihrem Schuldbewußtsein und ihrer Zuneigung zu Callandra zuzuschreiben, daß sie ihre Zunge einigermaßen im Zaum hielt.
    Da Callandra eine Loge besaß, gab es wenigstens mit den Sitzplätzen keine Probleme, außerdem blieben sie auf diese Weise unter sich. Das Stück entsprach ganz dem, was sich derzeit großer Beliebtheit erfreute: Es ging um eine junge Frau, die, von der Schwäche des Fleisches versucht und von einem Mann verführt, vom Pfad der Tugend abgekommen war und sich erst zum Schluß, als es längst zu spät war, danach sehnte, reumütig zu ihrem aufrechten Ehemann zurückkehren zu dürfen.
    »Aufgeblasener, selbstverliebter Affe!« stieß Hester verhalten aus; mit ihrer Geduld war es endgültig vorbei. »Ob die Polizei wohl je einen Mann unter dem Verdacht eingesperrt hat, seine Frau zu Tode gelangweilt zu haben?«
    »Das ist schließlich kein Verbrechen, meine Liebe«, flüsterte Callandra zurück. »Von Frauen wird nicht erwartet, daß sie sich für etwas interessieren.«
    Hester benutzte ein Wort, das sie bei den Soldaten auf der Krim aufgeschnappt hatte, und Callandra gab vor, es nicht gehört zu haben, obwohl es ihr schon oft zu Ohren gekommen war und sie seine

Weitere Kostenlose Bücher