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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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»Meine Mutter ist nicht direkt krank, Miss Latterly. Sie hat unter äußerst schmerzlichen Umständen einen geliebten Menschen verloren. Wir möchten verhindern, daß sie in Depressionen versinkt, was leicht passieren könnte. Sie braucht jemanden, der sie aufheitert und der sich darum kümmert, daß sie genug ißt und schläft, um bei Kräften zu bleiben. Meinen Sie, Sie könnten diese Anforderungen erfüllen, Miss Latterly?«
    »Ja, Mrs. Kellard. Ich würde es sehr gern tun sofern Sie mich für geeignet halten.« Die Erinnerung an Monks Gesicht und den wahren Zweck ihres Hierseins ließen Hester äußerst unterwürfig antworten.
    »Ausgezeichnet. Sie dürfen sich als engagiert betrachten. Bringen Sie mit, was Ihnen nötig erscheint, und fangen Sie morgen früh an. Guten Tag.«
    »Guten Tag, Ma'am. Und vielen Dank.«
    In diesem Sinne stellte Hester sich am kommenden Tag mit einem Köfferchen in der Hand an der Hintertür des Moidoreschen Hauses ein, um sich in ihre Aufgaben einweisen zu lassen. Sie befand sich in einer Ausnahmeposition, da sie mehr war als ein Dienstmädchen, jedoch weniger als ein Gast. Man hielt sie für versiert, betrachtete sie aber weder als dem Hauspersonal zugehörig noch als Fachmann, wie zum Beispiel einen Arzt. Sie zählte von nun an zum Haushalt; folglich mußte sie kommen und gehen, wie ihr befohlen wurde, und sich stets entsprechend den Wünschen ihrer Herrin verhalten. Das Wort Herrin ging ihr durch Mark und Bein.
    Warum eigentlich? Sie hatte weder Vermögen noch Perspektive und keinerlei Aussichten mehr, eine andere Stellung zu finden. Darüber hinaus gab es mehr zu tun, als sich um Lady Moidores Wohl zu kümmern. Es galt, einen kniffligen, hochinteressanten und nicht ganz ungefährlichen Auftrag Monks zu erfüllen.
    Sie wurde in einem recht hübschen Zimmer über den Schlafräumen der Familie untergebracht. Eine Glocke sorgte dafür, daß sie jederzeit herbeizitiert werden konnte. In ihrer freien Zeit, sofern sie welche haben sollte, könnte sie im Aufenthaltsraum der Kammerzofen lesen oder Briefe schreiben, hieß es. Man machte ihr unmißverständlich klar, worin ihre Pflichten bestanden und worin die der Zofe Mary, einem dunkelhaarigen, schlanken Geschöpf Anfang Zwanzig, das über ein ausdrucksvolles Gesicht und eine scharfe Zunge verfügte. Es wurde auch nicht vergessen, sie auf das Terrain der sechzehnjährigen Magd fürs obere Stockwerk, Annie hinzuweisen, die mit einer guten Portion Neugier, einem wachen Verstand sowie bei weitem mehr Eigensinn ausgestattet war, als ihr angeblich gut tat.
    Man führte sie in die Küche, wo ihr Mrs. Boden, die Köchin, die Küchenmagd Sal, das Spülmädchen May, der Stiefelputzer Willie sowie Lizzie und Rose vorgestellt wurden, die für die Wäsche zuständig waren und auch Hester's übernehmen würden. Gladys, die andere Zofe, sah sie lediglich kurz über die Galerie huschen; sie betreute Mrs. Cyprian Moidore und Miss Araminta. Desgleichen entzogen sich Maggie, die zweite Magd fürs obere Stockwerk, Nellie, das Nesthäkchen des weiblichen Personals sowie das aparte Stubenmädchen Dinah vorerst ihren Blicken.
    Mrs. Willis, die winzige, grimmig dreinschauende Haushälterin, besaß keinerlei Befehlsgewalt über Krankenschwestern, weshalb ihre Beziehung von Anfang an unter einem schlechten Vorzeichen stand. Sie war es gewöhnt, Macht auszuüben, und verabscheute weibliche Dienstboten, die sich ihr gegenüber nicht zu verantworten hatten. Ihr kleines, strenges Gesicht nahm augenblicklich einen noch verbiesterteren Ausdruck an. Sie erinnerte Hester an eine ganz besonders tüchtige Oberin im Krankenhaus, was die Begegnung nicht vereinfachte.
    »Die Mahlzeiten nehmen Sie wie alle andern in der Gesindestube ein«, verkündete Mrs. Willis scharf. »Es sei denn, Ihre Pflichten machen es unmöglich. Nach dem Frühstück um Punkt acht Uhr kommen wir alle zusammen«, diese beiden Worte erhielten eine besonders spitze Betonung, während sich ihr Blick in Hester bohrte, »um unter der Leitung von Sir Basil das Morgengebet zu sprechen. Ich darf wohl annehmen, daß Sie der anglikanischen Kirche angehören, Miss Latterly?«
    »Aber selbstverständlich, Mrs. Willis«, sagte Hester wie aus der Pistole geschossen, obwohl sie eher zu einer freikirchlichen Gesinnung tendierte.
    »Ausgezeichnet.« Mrs Willis nickte befriedigt. »So weit, so gut. Wir nehmen die Hauptmahlzeit mittags zwischen zwölf und eins ein, während die Familie luncht. Irgendwann im Lauf des

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