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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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einen Befehl handelte. Obwohl Romola einen Moment lang unschlüssig dastand, war absolut klar, daß sie das tun würde, was man ihr sagte - sowohl heute als auch morgen. Cyprian und seine Sicht der Dinge spielten nicht die geringste Rolle.
    Hester war die Situation peinlich, nicht wegen Romola, die sich ziemlich kindisch benommen hatte und eine Zurechtweisung durchaus verdiente, sondern um Cyprians willen. Er wurde behandelt, als wäre er Luft.
    »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, Sir«, sagte sie an Sir Basil gewandt, »ich werde mich ebenfalls zurückziehen. Mrs. Moidore meint, ich sollte besser in meinem Zimmer sein, falls Lady Moidore meine Hilfe braucht.« Mit einem kurzen Nicken in Cyprians Richtung - wobei sie seinem Blick wohlweislich auswich, um die Demütigung darin nicht sehen zu müssen - drückte Hester ihr Buch an sich und entschwand in die Halle.
    Der Sonntag war ein ganz besonderer Tag im Haus der Moidores wie auch im Rest von England. Unvermeidliche Dinge, wie den Kamin säubern, neu bestücken, das Feuer entfachen und schüren mußten erledigt werden, ebenso wurde selbstverständlich ein Frühstück serviert. Die allmorgendliche Gebetszeremonie jedoch verlief kürzer als sonst, damit jeder, der dazu in der Lage war mindestens einmal am Tag in die Kirche gehen konnte.
    Beatrice hatte beschlossen, daß es ihr nicht gut genug ging, und blieb zu Hause. Man ließ ihr ihren Willen. Hester allerdings sollte die Familie in der Kutsche begleiten, um an der Morgenmesse teilzunehmen. Das war günstiger, als abends mit dem ranghöheren Hauspersonal zu fahren, da Beatrice sie dann eventuell brauchte.
    Der Lunch verlief laut Dinahs Bericht sehr nüchtern und wortkarg, am Nachmittag wurden Briefe geschrieben, nur Sir Basil zog seine Hausjacke an und zog sich ins Herrenzimmer zurück, um nachzudenken oder ein wenig zu dösen. Bücher und Zeitungen waren verboten - dergleichen vertrug sich nicht mit dem Sabbat -, die Kinder durften weder spielen noch lesen, es sei denn in der Heiligen Schrift. Sogar Musizieren galt als verpönt.
    Abends wurde eine kalte Mahlzeit aufgetischt, damit Mrs. Boden, Mrs. Willis und der Butler zur Kirche gehen konnten. Im Anschluß daran las man unter Sir Basils Vorsitz gemeinsam in der Bibel. Es war ein Tag, den anscheinend niemand genießen konnte.
    Hester wurde an ihre Kindheit erinnert, auch wenn ihr Vater in seinen schlimmsten Zeiten nicht derart freudlos gewesen war.
    Hester verbrachte den Nachmittag mit Briefeschreiben im Arbeitszimmer. Das hätte sie auch im Aufenthaltsraum der Kammerzofen tun können, doch sie zog die Abgeschiedenheit des Arbeitszimmers dem Geschwätz von Maggie und Gladys vor.
    Sie hatte bereits an einige Freundinnen aus Kriegszeiten sowie an Charles und Imogen geschrieben, als Cyprian hereinkam. Er schien nicht im mindesten überrascht, sie zu sehen, und entschuldigte sich nur der Form halber für die Störung.
    »Haben Sie eine große Familie, Miss Latterly?« erkundigte er sich angesichts des Briefestapels.
    »Leider nur noch einen Bruder. Der Rest ist an Frauen, die mit mir auf der Krim waren.«
    »Sie konnten dort tatsächlich dauerhafte Freundschaften aufbauen?« fragte er neugierig und mit wachsendem Interesse.
    »Fällt es Ihnen nicht schwer, sich hier in England wieder zurechtzufinden, nachdem Sie soviel Schlimmes erlebt haben?«
    Hester lächelte spöttisch, was eher ihr selbst als seiner Frage galt.
    »Und wie!« gab sie offen zu. »Man hatte dort viel mehr Verantwortung. Es blieb keine Zeit, sich in Intrigen zu ergehen oder auf die Etikette zu achten, es gab soviel anderes: Entsetzen, Erschöpfung, Freiheit - Freundschaft, die weit über das hinausging, was man bislang kannte, und Ehrlichkeit, wie man sie normalerweise kaum aufbringt.«
    Ohne sie aus den Augen zu lassen, machte Cyprian es sich auf der nächstbesten Sessellehne bequem.
    »Ich habe die Kriegsberichte in den Zeitungen verfolgt.« Zwischen seinen Brauen bildete sich eine tiefe Falte. »Aber man weiß nie genau, ob man denen trauen darf. Ich fürchte, meistens wird nur das geschrieben, was man uns glauben machen will. Sie haben wohl nichts darüber gelesen - nein, sicher nicht.«
    »O doch!« widersprach sie ihm heftig, ohne im Eifer des Gefechts daran zu denken, daß es für weibliche Wesen aus gutem Hause als unfein galt, zu mehr als den Klatschspalten Zugang zu haben.
    Doch Cyprian war nicht die Spur schockiert, es schien ihn zu faszinieren.
    »Einer der tapfersten und

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