Gefaehrliche Ueberraschung
Vermögen hinterlassen.
Die frohe Botschaft ereilte Ernest Bumbles wenige Stunden nachdem der teure Mr. Goodloe die Augen für immer schloss.
Goodloes Anwalt hatte zum Telefon gegriffen, um Bumbles
»eine ebenso traurige wie erfreuliche Mitteilung« zu machen, wie er sich ausdrückte. »Mister Goodloe weilt nicht mehr unter uns«, erklärte er und seufzte tief auf. »Aber er fühlte sich in den letzten drei Jahren durch seine Zugehörigkeit zu Ihrer Institution seelisch so bereichert, dass er Ihrem Verein sein nicht unerhebliches Vermögen in Höhe von mehr als einer Million Dollar vermacht hat.«
Ernest hatte im Gewächshaus gerade seine Stecklinge ge-mulcht, als seine Frau Dolly mit dem schnurlosen Telefon zu ihm gelaufen kam. Als Allergikerin betrat sie das Glashaus nie ohne Gesichtsmaske.
»Ein Anruf für dich, Bumby«, rief sie mit maskengedämpfter Stimme. »Er drückte sich sehr gewählt aus, also muss es wichtig sein. Haa-haa-tschiii.«
Trotz der Maske brachte Mulch sie immer zum Niesen.
Schon sehr schnell stellte sich heraus, warum Mr. Withers bereits zum Telefon griff, bevor Goodloe die Pforten des Himmels überhaupt erreicht hatte. Es war Mr. Goodloes ausdrücklicher Wunsch, dass die Mitglieder des Vereins in voller Mannschafts-stärke an der Totenwache, der Bestattung und dem anschließenden Leichenschmaus teilnahmen. Unnötig zu erwähnen, dass überall in New York Pflanzenfreunde ihre Hacken fallen ließen, sich die Handschuhe von den Fingern streiften und an die Bahre ihres Wohltäters eilten.
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Bei der eilends vor der Trauerfeier von Ernest Bumbles einbe-rufenen Sitzung wies ein Vorstandsmitglied darauf hin, dass sie ihr unverhofftes Glück eigentlich Luke Reilly zu verdanken hatten. In Anerkennung der Tatsache, dass seine drei Bestattungsinstitute eine nicht unerhebliche Unterstützung des Blumen- und Pflanzengewerbes von New Jersey darstellten, war Reilly drei Jahre zuvor beim alljährlichen Bankett des Vereins als Mann des Jahres gefeiert worden. Auf Einladung von Luke Reilly hatte Cuthbert Boniface Goodloe der Auszeichnung beigewohnt.
Und war so beeindruckt von einem Vier-Minuten-Film über die positiven Auswirkungen persönlicher Gespräche mit Pflanzen, dass er unverzüglich einen Mitgliedsantrag unterschrieb.
Während der Zusammenkunft wurde einstimmig beschlossen, Luke Reilly in Würdigung seiner Verdienste zum Ehrenmitglied zu ernennen. Doch zur allgemeinen Enttäuschung glänzte Reilly beim Leichenschmaus durch Abwesenheit. Sein Assistent Austin Grady teilte ihnen mit, dass Reillys Frau einen bedauerli-chen Unfall erlitten hatte.
Vor allem Ernest Bumbles war enttäuscht. Er hatte Luke die auf feinstem Bütten geschriebene und mit gepressten Blüten geschmückte Urkunde persönlich in die Hand drücken wollen und war ganz erpicht auf die freudige Überraschung auf Reillys Gesichtszügen, wenn er den Inhalt verlas.
AN ALLE, DIE DIESE WORTE LESEN
Hiermit wird erklärt,
dass Luke Reilly
wegen des unschätzbaren Verdienstes, unseren teuren Wohltäter
Cuthbert Boniface Goodloe
in unsere Mitte geführt zu haben, qua Amt und einstimmigen Beschluss des Vorstandes vom heutigen Tag an
– aus freiem Willen und ohne Einschränkung –
zum lebenslangen Mitglied
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des Blumen-und-Blüten-Vereins von New Jersey ernannt wird.
Mit allen Ehren, Rechten und Privilegien, die sich daraus ergeben.
Verkündet und überreicht
am zweiundzwanzigsten Tag
des Monats Dezember im Jahr zweitausend pluribum unum.
Als Reilly nicht zum Lunch erschien, hatte Grady Ernest Bumbles auf den späten Nachmittag vertröstet. Dann würde sein Chef mit Sicherheit im Bestattungsinstitut sein. Ernest tauchte gegen fünf dort auf, aber vergebens. Grady bot ihm an, sein festlich verpacktes Geschenk dazulassen, doch das kam selbstverständlich überhaupt nicht in Frage. Man bekommt im Leben nur selten die Chance, uneingeschränkte, freudige Überraschung auf dem Gesicht eines Mitmenschen zu sehen, dachte Ernest. Nun musste er eben sein Möglichstes versuchen, Reilly die Urkunde am Heiligen Abend zu überreichen, bevor Dolly und er zu ihrer Mutter gingen.
»Wenn du noch im Bestattungsinstitut vorbeischauen willst, bevor wir zu meinem Weihnachtssingen gehen, solltest du dich sputen«, sagte Dolly und goss ihm eine zweite Tasse Kaffee ein.
»Du hast Recht. Wie üblich.« Ernest leerte seine Tasse mit einem Schluck und stand auf.
Zwanzig Minuten später stand er wieder im Büro des Bestattungsinstitutes und
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