Gefaehrliche Ueberraschung
werden und hörte aufmerksam zu, während ihn Regan und Alvirah das Wenige erzählten, das sie wussten.
»Haben Sie irgendeine Vermutung, wer dahinter stecken könnte?«, fragte er schließlich.
»Nicht die leiseste Ahnung«, antwortete Regan. »Allerdings neigen wir zu der Annahme, dass es den Tätern allein um das Geld geht. Soweit ich weiß, hat mein Vater keine Feinde.«
»Hat Rosita mit Ihnen über ihren Exmann gesprochen?«, wollte Alvirah wissen. »Nach Noras Worten scheint er ein rechter Tunichtgut zu sein, der ein bisschen Geld wahrscheinlich gut brauchen könnte.«
»Ich habe Rosita erst vor rund einem Monat kennen gelernt.
Auf einer Party. Seither waren wir zweimal essen. Sie spricht nicht gern über ihn. Heute haben mir die Jungs erzählt, dass sie ihn schon lange nicht mehr gesehen haben.«
»Offenbar ein wahrer Prachtkerl«, stellte Regan fest. »Die Polizei wird ihn gründlich unter die Lupe nehmen.«
Fred schüttelte den Kopf. »Ich kann für die Jungs nur hoffen, dass er mit der Entführung nichts zu tun hat. Rosita erwähnte nichts, was auf aktuelle Schwierigkeiten mit ihm schließen lie-
ße. Als wir essen waren, sprachen wir über das Übliche. Ihr Job gefällt ihr sehr.« Fred nickte Regan zu. »Sie hält Ihren Vater für den besten Boss, den man sich wünschen kann. So wie sie ihn schilderte, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er Feinde haben sollte.«
Regan stellte ihre Tasse auf den Tisch. »Nach dem Gespräch mit Ihnen fahren Alvirah und ich zum Büro meines Vaters, um uns mit seinem Assistenten zu treffen. Wir wollen ihn fragen, ob es in beruflicher Hinsicht Dinge gibt, die relevant sein könnten.
Immerhin kann man nicht ausschließen, dass der Entführer ein verärgerter Auftraggeber ist, vielleicht sogar ein früherer Ange-67
stellter, der sich ungerecht behandelt fühlt.«
»Das ist sehr vernünftig und fast das Einzige, was Sie tun können. Das Schlimmste an einer Entführung ist das Warten darauf, dass sich der Kidnapper wieder meldet«, fügte Fred hinzu.
»Irgendetwas muss ich einfach tun«, erklärte Regan und stand auf. Alvirah folgte ihrem Beispiel.
»Meine Schwägerin ist Nonne«, sagte Alvirah zu Fred, als sie die Tassen wieder auf das Tablett stellte. »Eine ihrer Mitschwe-stern war Polizistin, bevor sie den Ruf Gottes verspürte. Sie hat ein gutes Händchen für Kinder. Wenn Sie nach Hause gehen wollen, könnte Schwester Maeve Marie innerhalb einer Stunde hier sein.«
Fred dachte an die Party, die er versäumte, das Flugzeug, das er am Morgen besteigen wollte, den lange geplanten Segeltörn mit Freunden. All das schien plötzlich absolut nebensächlich zu sein. Er sah Rosita vor sich, hörte den warmen Klang ihrer Stimme, als sie scherzte: »Nennen Sie mich einfach Cinderella.«
Nicht jede Entführung geht gut aus, dachte er. Ganz im Gegenteil.
Er schüttelte den Kopf. »Sie haben gehört, was ich den Jungen versprochen habe. Ich bleibe.«
Viele Menschen waren der Meinung, dass Alvin Luck den falschen Namen hatte. Mit zweiundfünfzig Jahren, schüt-terem braunem Haar, schmaler Gestalt und einem liebenswürdi-gen, aber schüchternen Lächeln lebte er mit seiner Mutter in einer Mietwohnung an der 86. Straße West in Manhattan. Der Autor von zwölf unveröffentlichten Kriminalromanen verdiente 68
sich mit Gelegenheitsjobs ein paar Dollar und hoffte unverdrossen auf seinen Einstieg in die literarische Welt.
Entsprechend der Jahreszeit bestand sein aktueller Job darin, in knallrotem Anzug, mit weißem Rauschebart und einem kräftigen »Hohoho!« durch die Spielzeugabteilung eines Billigkauf-hauses nahe dem Herald Square zu stapfen.
»Nicht so latschen, Alvin!«, schrie ihn sein Boss regelmäßig an. »Vom Weihnachtsmann erwartet man Statur und Persönlichkeit.«
Wenn schon Weihnachtsmann, dann wenigstens bei F. A. O.
Schwarz, dachte er häufig. Und nicht in dieser Bruchbude.
Alvin war schließlich ein Mann mit Ambitionen.
Dass man ihn in den Verlagen noch immer übersah, lag keineswegs an oberflächlichen Recherchen. Er hatte jeden Krimi aufs Gründlichste erforscht, der in den letzten zwanzig Jahren auf der Bestsellerliste der New York Times erschienen war. Was Hand-lungsstränge, Charaktere und Schauplätze anbelangte, war er ein wandelndes Lexikon und kannte sich mit den Details in Hunderten von Krimis aus. Er hatte ganze Notizbücher mit Plots und Verbre-chensbereichen – Spionage, Bankraub, Mord, Erpressung, Brandstiftung,
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