Gefaehrliche Ueberraschung
Bestellung des Autos an den Feiertagsver-kehr gedacht? Ist das zu fassen? Erstmals in meinem Leben hab ich Angst, zu spät zum Zahnarzt zu kommen.«
»Selbstverständlich«, versicherte Alvirah. »Wir werden rechtzeitig vor drei dort sein. Doktor Jay hat dich vor seinem letzten Patienten eingeschoben. Wegen der Feiertage macht er heute früher Schluss.«
Willy schaute auf seine Armbanduhr. »Es ist grade erst kurz nach zehn. Ich wünschte, ich wäre jetzt schon bei ihm. Wann kommt der Wagen?«
»Um halb zwei.«
»Ich werde anfangen, mich fertig zu machen.«
Mit mitleidigem Kopfschütteln sah Alvirah zu, wie ihr Mann wieder im Schlafzimmer verschwand. Heute Abend geht es ihm bestimmt schon wieder sehr viel besser, sagte sie sich. Ich werde eine kräftige Gemüsesuppe kochen, und wir sehen uns Ist das Leben nicht schön? auf Video an. Ich bin froh, dass wir unsere Kreuzfahrt auf den Februar verschoben haben. Es wird sehr er-holsam sein, die Feiertage gemütlich zu Hause zu verbringen.
Alvirah sah sich um und schnupperte. Ich liebe Tannenduft, dachte sie. Und der Baum sieht großartig aus. Sie hatten ihn direkt vor dem auf den Central Park hinausgehenden Fenster aufgestellt. An den Ästen hing der Schmuck, den sie über die Jahre angesammelt hatten. Manche Dinge sehr hübsch, andere weniger, aber alle wurden in Ehren gehalten. Alvirah schob sich die Brille auf der Nase zurecht, trat an den Couchtisch und öffnete den noch ungeöffneten Karton mit Lametta.
»Man kann nie genug Lametta am Weihnachtsbaum haben«, verkündete sie laut.
14
n drei Tagen ist Weihnachten, dachte Rosita Gonzalez, als Isie hinter dem Steuer einer schwarzen Limousine des Bestattungsinstituts darauf wartete, dass Luke Reilly das Krankenhaus verließ. Erneut dachte die Sechsundzwanzigjährige über die Geschenke nach, die sie für ihre fünf und sechs Jahre alten Söhne gekauft hatte. Ich habe nichts vergessen, beruhigte sie sich.
Rosita wünschte sich sehr, dass es für Bobby und Chris ein schönes Fest wurde. In den letzten anderthalb Jahren war vieles anders geworden. Der Vater der Jungen hatte die kleine Familie verlassen – kein großer Verlust –, und ihre kränkliche Mutter war nach Puerto Rico zurückgezogen. Jetzt klebten beide an Rosita, als befürchteten sie, auch sie könnte plötzlich verschwinden.
Meine beiden kleinen Männer, dachte sie zärtlich. Gestern Abend hatten sie ihren Weihnachtsbaum gekauft, und heute Abend wollten sie ihn gemeinsam schmücken. Mr. Reilly hatte ihr ein großzügiges Weihnachtsgeld gegeben, und in den nächsten drei Tagen brauchte sie nicht zu arbeiten.
Rosita schaute in den Rückspiegel und schob sich die Mütze auf den dunklen, lockigen Haaren zurecht. Dieser Job ist ein wahrer Glücksfall. Sie hatte als Halbtagskraft im Büro begonnen, aber als Luke erfuhr, dass sie sich nebenbei ein bisschen Geld als Fahrerin verdiente, sagte er zu ihr: »Das können Sie bei mir auch, Rosita.« Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und lenkte nun häufig die Limousinen des Reilly-Bestattungsunternehmens zu Trauerfeiern und Beerdigungen.
Es klopfte ans Fahrerfenster. Rosita blickte hoch und rechnete damit, das freundliche Gesicht ihres Chefs zu sehen. Stattdessen blickte sie in Augen, die ihr vage bekannt vorkamen, die sie jedoch im Moment nicht zuordnen konnte. Sie kurbelte das Fenster ein paar Zentimeter herunter und wurde unverzüglich in dichten Zigarettenrauch gehüllt. Der Fensterklopfer beugte den Kopf und identifizierte sich mit den Worten: »Hi, Rosie. Ich bin’s. Petey, der Maler. Erinnern Sie sich?«
15
Wie könnte ich Sie vergessen, schoss es Rosita durch den Kopf. Das schrille Lindgrün der Wände im Abschiedsraum von Reillys Bestattungsinstituts in Summit, New Jersey, tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Und sie erinnerte sich an Lukes Reaktion. »Sie sehen mich ratlos, Rosita«, hatte ihr Boss gesagt. »Ich weiß nicht, ob ich lachen, heulen oder mich übergeben soll.«
»An Ihrer Stelle würde ich k…«, war Rositas Antwort.
Unnötig zu sagen, dass Peteys Dienste in Luke Reillys drei Bestattungsunternehmen nicht länger gefragt waren.
In seiner subjektiven Erkenntnis, dass der Raum dringend einer gewissen Aufheiterung bedurfte, hatte Petey Gelb unter das von Luke ausgewählte Moosgrün gemischt. »Die Angehörigen von Verstorbenen sollten nicht zusätzlich deprimiert werden«, klärte er sie auf. »Dieses fade Grün war doch ausgesprochen trostlos. Ich hatte zufällig noch ein
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