Gefaehrliche Ueberraschung
Kurzgeschichte.«
»Zu Hause, auf dem Dachboden.«
»Und was ist mit der Zeitschrift, in der sie veröffentlicht wurde?«
»Längst zu Staub zerfallen.«
Es klopfte an die Tür. Mit Röntgenbildern unter dem Arm und einem Feiertagslächeln auf dem Gesicht rauschte der Arzt herein. »Guten Morgen, Ladys. Wie geht’s meiner Lieblingspatien-tin?«
»Recht gut«, erwiderte Nora.
»Gut genug, um nach Hause gehen zu können?«
Überrascht sah Nora ihn an. »Sagten Sie nicht, ich müsste mindestens drei Tage bleiben?«
»Sie haben zwar einen üblen Beinbruch erlitten, aber die Schwellung geht zurück. Die Röntgenaufnahmen sehen positiv aus. Es gibt keinen Grund, Sie hier länger festzuhalten. Legen Sie zu Hause aber immer brav das Bein hoch.« Er wandte sich Regan zu. »Vielleicht können Sie im nächsten Jahr Weihnachten mit Ihren Eltern auf Maui verbringen.«
»Das hoffe ich.« Mehr als Sie ahnen können, fügte Regan un-hörbar hinzu.
Nachdem er gegangen war, sahen Nora und Regan sich an.
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»Hol eine Schwester«, sagte Nora. »Mit einem Rollstuhl. Ich verschwinde hier so schnell wie möglich. Auf dem Dachboden stehen jede Menge Kisten.«
Fünf Minuten vor neun Uhr stand Alvirah in der ersten Reihe der Kaufwilligen, die ungeduldig darauf warteten, dass Long’s endlich die Türen öffnete. Im Gegensatz zu den anderen hatte Alvirah keine lange Liste mit Geschenkwünschen bei sich, von denen die meisten vermutlich achtundvierzig Stunden später wieder umgetauscht werden würden. Sie hatte bereits Fred Torres angerufen und ihn gefragt, ob sich Rosita mit der Bemerkung über Luke Reillys unerschütterliche Ruhe auf eine besondere Situation bezogen haben könnte. Nein, erwiderte er, das hätte sie ebenso scherzhaft wie allgemein geäußert.
Eine Minute nach neun fuhr sie mit der Rolltreppe ins Untergeschoss. Obwohl Alvirah das Kaufhaus als eine der Ersten betreten hatte, standen bereits Käufer vor den Tischen mit den Weihnachtsartikeln, deren Preise noch einmal herabgesetzt worden waren. Die müssen in den Gängen geschlafen haben, dachte Alvirah und trat in der Schlange vor der einzigen Kasse ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
Die schmächtige, weißhaarige Kundin vor ihr hakte emsig Namen auf ihrer Liste ab, während sie der Kassiererin einen Bilderrahmen nach dem anderen reichte. »So, damit hätten wir je einen für Aggie, Margie, Kitty und May. Soll ich auch noch einen für Lilian mitnehmen? Nein, im letzten Jahr hat sie mir auch nichts geschenkt.« Immer noch unschlüssig griff sie nach einem der Küss mich unterm Tannenbaum -Rahmen. »Ge-schmacklos«, zischte sie halblaut. »Nein danke, das wäre alles.«
»Sind Sie Darlene Krinsky?«, fragte Alvirah die junge Kassiererin, als sie endlich vor ihr stand.
»Ja.« Das Mädchen musterte sie argwöhnisch.
Alvirah wusste, dass sie schnell handeln musste. Sie zog den gestern gekauften Bilderrahmen aus der Tasche. »Meine Freun-156
din liegt im Krankenhaus«, begann sie in der Hoffnung, damit Mitgefühl zu erwecken. »Jemand hat am Donnerstagabend einen Bilderrahmen wie diesen hier für sie abgegeben, aber weder seinen Namen genannt noch die beiliegende Karte unterschrieben. Wir halten es für möglich, dass er den Rahmen auf dem Weg ins Krankenhaus hier gekauft hat, denn er trug eine Long’s-Tüte bei sich, in der sich rote Kleidungsstücke befanden.
Erinnern Sie sich vielleicht an ihn? Es handelt sich um einen etwa fünfzigjährigen Mann von durchschnittlicher Größe und mit schütteren, braunen Haaren.«
Darlene Krinsky schüttelte den Kopf. »Leider kann ich Ihnen nicht helfen.« Sie deutete mit dem Kopf auf eine Gruppe Teenager, die ungeduldig mit ihren Einkäufen wedelten. »Sie sehen ja selbst, was hier los ist.«
»Er könnte die Kaufsumme auf den Cent genau abgezählt haben«, hakte Alvirah nach.
»Bedauere. Ich würde Ihnen wirklich gern behilflich sein, aber…« Die Kassiererin wandte sich ab. »Ich hoffe, Ihrer Freundin geht es bald besser.« Sie nahm einem der Teenager eine Spieldose aus der Hand.
Hoffnungslos, dachte Alvirah entmutigt, als sie die Kasse verließ.
»Moment mal«, sagte Darlene leise zu sich selbst, während sie den Preis der Spieldose in die Kasse eingab.
Als Alvirah die Rolltreppe erreicht hatte, tippte ihr jemand auf die Schulter. »Die Kassiererin will Sie noch einmal sprechen«, sagte ein junger Mann.
Alvirah eilte zurück.
»Er hatte eine Tüte mit roter Kleidung bei sich? Ich weiß, wer es
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