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Gefaehrliche Verlockung (Gesamtausgabe)

Gefaehrliche Verlockung (Gesamtausgabe)

Titel: Gefaehrliche Verlockung (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katelyn Faith
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die Macht, die er ausübte. Ohne es zu wollen?
    „Meine Mutter hatte es nicht leicht mit uns. Vor allem mit Phil. Als er ihr eröffnete, dass er schwul ist, brach für sie eine Welt zusammen. Sie war streng gläubig, wie du vielleicht noch weißt, und verbrachte mehr Zeit in der Kirche als zu Hause. Es war ihr Trost, ihr Hort, sie arbeitete ja auch dort und ihr Glaube hat ihr durch alles geholfen. Aber ein homosexueller Sohn, das war für sie Sünde. Sie konnte nichts dazu, sie war so erzogen worden und ließ sich auch nicht beirren. Sie gab sich die Schuld dafür und war am Boden zerstört. Ich versuchte es daher besser zu machen als mein Bruder, ich war ja einige Jahre jünger, und sammelte sehr früh erste Erfahrungen mit Mädchen. Als wollte ich mir – und ihr – beweisen, dass ich nicht wie Phil war.
    Aber ich habe immer das Bedürfnis gehabt, Macht auszuüben. Ich konnte mich nicht einlassen auf eine Beziehung, auf Gefühle, die mich machtlos gemacht hätten. Es gab keine Erklärung dafür ... bis ich Phils Buch gelesen habe.“
    „Was ist ... mit deiner Mutter passiert?“
    Ich ahne Schreckliches.
    „Sie hat sich umgebracht. Gerade zu der Zeit, als ich an der Uni Schwierigkeiten bekam. Es gab Gerüchte, ich sei bisexuell und habe Aids, die dazu führten, dass ich von allen Kommilitonen gemieden wurde. Niemand wollte mehr etwas mit mir zu tun haben, ich war nicht mehr der coole Jason, ich war plötzlich ein Nichts. Und ich hatte Angst, dass meine Mutter davon erfahren könnte, sie war so labil zu der Zeit. Sie litt unter Nervenzusammenbrüchen, ich weiß nicht, wie oft ich sie in die Klinik gebracht habe, wenn es mal wieder so weit war.“
    Jetzt zittere ich wirklich am ganzen Leib. Ach du heilige Güte! Er will mir doch nicht sagen, dass seine Mutter sich wegen der Gerüchte umgebracht hat? Mir wird ganz schlecht, mein Magen wirbelt umher wie ein Tischtennisball und springt gegen mein Herz.
    „Bitte, sag mir, dass sie ...“
    „Sie hat sich umgebracht, Emma. Hat sich die Pulsadern aufgeschnitten und das Leben genommen. Sie hat nichts hinterlassen, keinen Brief, keine Nachricht, aber ich habe sie gefunden. Sie war schon zwei Tage tot, als ich sie fand, lag in der Badewanne unserer alten Wohnung und ...“
    Ich strecke die Hand aus und berühre seine Wange. In seinen langen Wimpern entdecke ich eine glitzernde Träne, die dort hängt und sich nicht lösen will. Es ist einfach furchtbar. Wie kann ein Mensch so viel Leid ertragen?
    „Und du?“, frage ich vorsichtig und zeige auf sein Handgelenk. „Wolltest du es ihr gleichtun?“
    „Nein. Und ja. Ich weiß nicht. Ich war voller Schuldgefühle, und als ein halbes Jahr später Phils Buch erschien, wusste ich, was passiert war. Sie hat es gewusst, Emma. Meine Mutter hat die ganze Zeit über gewusst, dass Phil sich an mir vergangen hat.“
    „Und sie hat nichts dagegen unternommen? Sie hätte dich vor ihm beschützen müssen!“, rufe ich empört. Jason schüttelt den Kopf.
    „Das hat sie getan, aber erst später. Phil zog ein Jahr nach den Vorfällen aus, er war gerade 18 geworden. Ich habe nur Jahre gebraucht, um alles zu begreifen. Ich war wütend auf ihn, weil er uns einfach im Stich ließ, wie unser Vater. Später wusste ich, dass er es mir zuliebe getan hatte. Er wollte verhindern, dass er sich erneut an mir vergreift.“
    „Wie kannst du ihm noch Verständnis entgegenbringen? Du musst ihn hassen!“
    „Ich hasse ihn nicht mehr. Hass ist nicht das Gegenteil von Liebe, sondern Gleichgültigkeit. Und mehr empfinde ich heute nicht mehr für ihn. Es ist besser so, vor allem für mich. Ich möchte nicht mit Groll in mir durchs Leben gehen. Ich werde es nie vergessen können, aber ich bin nicht nachtragend und versuche, ihn so gut wie möglich zu ignorieren.“
    „Wisst ihr heute, warum deine Mutter sich umgebracht hat? War es wegen der ...?“
    „Nein. Heute weiß ich es.“
    Er holt tief Luft und legt beide Hände um meine nackten Schultern. Die Decke rutscht runter und verbirgt nur noch unsere Unterleiber. Als wollte sie damit bedeuten, dass die Nacktheit in diesem Moment unangebracht ist. Aber eigentlich ist sie das nicht. Wir fühlen uns nackt an. Verletzlich. Und ich weiß, dass es an ein Wunder grenzt, dass er mir all das erzählt. An der Art wie er redet kann ich erkennen, dass er das alles zum ersten Mal in Worte fasst. Er klingt nicht so eloquent wie sonst, die Worte kommen langsam, beinahe gequält aus seinem Mund und wirken

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