Gefaehrliche Verlockung (Gesamtausgabe)
ist schnell gefunden; den Hyde Park kenne ich als Londonerin wie meine Nachttischschublade. Trotz des Gewusels ist es hier in den Rosengärten relativ ruhig, außer mir sitzt nur ein älteres Ehepaar auf einer Bank vor einer gelben Heckenrose, deren Blüten noch zu winzigen Knospen geschlossen sind. Es ist zu früh im Jahr für die Rosen, trotzdem duftet es hier in der Ecke.
Meine Finger kneten die Riemen der kleinen Handtasche, während ich vor dem Brunnen stehen bleibe und auf ihn warte. Es ist kurz vor vier Uhr; ich habe mich nicht getraut, zu spät zu kommen.
Ein Picknick ... noch bin ich mir nicht sicher, ob ich die Idee romantisch oder einfach nur kitschig finden soll. Bevor ich zu einem Entschluss komme, spüre ich einen Schatten; verursacht durch eine Person, die sich dicht hinter mich gestellt hat. Eine Gänsehaut überzieht meine Arme, ich bin mir sicher, dass er es ist. Ich will mich gerade zu ihm umdrehen, da werden zwei Arme an meinem Kopf vorbei geführt und ein schwarzes Tuch legt sich über meine Augen.
„Jason?“, rufe ich erschreckt, mein Herz rast panisch in der Brust. Ganz ruhig, Emma, natürlich ist er es. Außerdem ist der Park voller Menschen und es ist taghell, niemand wird dir in der Öffentlichkeit etwas antun!
Mein Verstand weiß, dass mir nichts geschehen wird, trotzdem reagiert mein Körper mit einem Anfall von Panik, hervorgerufen durch die plötzliche Dunkelheit. Meine Brust legt sich wie ein Schraubstock um mein Herz, und meine Hände fangen an zu zittern. Meine Gedanken wirbeln im Kopf durcheinander wie Socken in der Waschmaschine.
„Jason, bitte sag etwas“, flehe ich und versuche, an den Stoff zu greifen, der eng über meinen Augen liegt und nun am Hinterkopf verknotet wird. Doch kräftige Arme hindern mich daran und ziehen meine Hände herunter.
Ich spüre einen warmen Hauch an meinem Hals, der durch die Hochsteckfrisur ungewohnt frei liegt. Grannys Halsband ist mein einziger Schmuck. Er nimmt meine Hand und drückt sie kurz, bevor er mich vorsichtig und langsam mit sich zieht. Blind stolpere ich hinter ihm her, den freien Arm unsicher vor mir ausgestreckt. Gütiger Himmel, wie peinlich! Ein kindisches Blinde-Kuh-Spiel mitten im Park! Was denkt er sich nur dabei?
„Jason, das ist nicht witzig“, stoße ich hervor, ernte jedoch keine Antwort. Stattdessen zieht er mich weiter hinter sich her, und ich kann nicht anders, als ihm gehorsam und blind zu folgen. Mein Gesicht brennt vor Scham und vor Wut, ich kann die neugierigen, belustigten Blicke der anwesenden Menschen förmlich auf mir spüren.
Es könnte nicht schlimmer sein, wenn ich nackt wäre. Der Gedanke daran lässt prickelnde Aufregung in mir aufkommen, die ich hastig runterschlucke. Um Gottes willen, Emma! Wie kommen solche perversen Gedanken in deinen Kopf?
Es fühlt sich seltsam an, so hinter ihm her zu laufen. Ich muss ihm vertrauen und darauf hoffen, dass er mich vor Hindernissen bewahrt, denn ich sehe wirklich nichts durch diese verdammte Augenbinde. Nicht mal an der Nase vorbei kann ich nach unten auf den Boden schielen, was mich beinahe verrückt macht. Ich habe dieses Spiel schon als Kind gehasst, weil immer nur diejenigen Spaß daran haben, die nicht im Mittelpunkt stehen und wie ein Hornochse durch die Gegend eiern müssen. So wie ich jetzt.
Jason führt mich mit ruhigen, aber großen Schritten durch den Park, und ich versuche, meine übrigen Sinne zu schärfen, wenn ich schon nichts sehen kann. Ich höre das leise Plätschern des Brunnens, das sich immer weiter entfernt, den knirschenden Kies unter unseren Füßen, das Gemurmel der Menschen, die an uns vorbeigehen. Ich rieche die Rosen und das Popcorn, das jemand in einem Wagen durch den Park schiebt – und ich rieche ihn, Jason. Sein Aftershave, das mir schon so gut bekannt ist, dass es meinen Magen nervös flattern lässt.
Eine halbe Ewigkeit später bleibt er stehen und fängt mich sanft auf, als ich in ihn hinein stolpere.
„Verdammt, Jason, nimm mir endlich das Ding ...“
Die letzten Worte meiner Schimpftirade bleiben mir im Hals stecken, denn Jason hat das Tuch von meinen Augen gezogen, sodass ich mit offenem Mund auf die karierte Wolldecke starre, die unter einer alten Eiche ausgebreitet liegt.
„Danke, dass du gekommen bist.“
Er beugt sich zu mir und drückt mir einen verheißungsvollen Kuss auf die Wange, der mein Gesicht erneut zum Glühen bringt. Mein Herz klopft schneller als es sollte, meine Finger fühlen sich feucht
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