Gefaehrliche Verstrickung
dem Augenblick an gestorben, als du Jaquir verließest. Es ist also nicht nötig, etwas zu leugnen, was gar nicht existiert.«
Sie machte einen Schritt auf ihn zu, und es war ihr in diesem Augenblick völlig gleichgültig, ob man sie dafür auspeitschen oder ihr noch Schlimmeres antun würde. »Es wird der Tag kommen, da Sie an mich denken werden«, zischte sie leise. »Das schwöre ich.«
In der Nacht vor ihrer Hochzeit träumte Adrianne nichts. Sie weinte.
Der Ruf des Muezzin weckte sie. Adrianne machte die Fenster weit auf und ließ die Hitze und das Sonnenlicht hereinfluten. Dieser Tag würde der längste und vielleicht gefährlichste ihres Lebens werden. Ihr blieb nur wenig Zeit, bis die Frauen und Dienerinnen in ihr Zimmer stürmen und mit der Tortur des Ankleidens beginnen würden.
Um ihre trüben Gedanken zu verscheuchen, ließ sie sich ein heißes Bad einlaufen und gab reichlich Badeöl dazu.
Wäre es eine richtige, ernstgemeinte Hochzeit, würde sie dann aufgeregt, glücklich oder ängstlich sein? fragte sie sich. Alles, was sie jetzt empfand, war ein dumpfer Schmerz über das, was nicht sein konnte. Die Zeremonie würde eine Lüge sein, genau wie die Versprechen, die bei solchen Anlässen überall in der Welt so oft nur Lügen waren.
War die Ehe für eine Frau denn nicht eine andere Form von Gefangenschaft? Sie nahm den Namen des Mannes an, büßte ihren eigenen ein und damit auch das Recht, jemand anderes als eine Ehefrau zu sein. Sein Wille, seine Wünsche, seine Ehre waren es dann, die zählten, niemals die ihren.
In Jaquir nannte man dies sharaf, die Ehre des Mannes. Gesetze und Traditionen gingen daraus hervor. War diese Ehre einmal verloren, dann unwiderruflich und für immer. Deshalb wurden die Frauen in der Familie so fanatisch bewacht - besser gesagt ihre Keuschheit -, denn ein Mann war für das Benehmen seiner Frauen und Töchter verantwortlich, solange sie lebten. Anstelle von Freiheit umgab man sie mit Dienerinnen, entband sie von jeglicher körperlichen Arbeit und bescherte ihnen dadurch ein sinnloses, leeres Leben. Diese Versklavung in einem goldenen Käfig ging unaufhörlich weiter, solange Frauen sich als Ehefrauen verkaufen ließen, so wie sie es gerade tat, als Preis für ihre Rache.
Doch was ihr Vater gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Sie war keine Frau Jaquirs, und Philip besaß kein Beduinenblut. Es war nichts als ein Täuschungsmanöver, alles nur Maskerade. An diesem Tag, dem wichtigsten Tag ihres Lebens, auf den sie seit ihrer Kindheit gewartet hatte, durfte sie das keine Sekunde lang vergessen. Es mochte Abdus Blut in ihren Adern fließen, doch sie war nicht seine Tochter.
Am Ende dieses Tages, wenn die endlosen Feierlichkeiten vorüber waren, würde sie das tun, weswegen sie gekommen war. Was zu tun sie sich geschworen hatte. Diese Rache, die nach all den Jahren noch immer wie ein Feuer in ihr loderte, würde verheerend und süß zugleich sein.
Mit dieser Tat würde sie alle Verbindungen zu ihrer Familie unwiderruflich abbrechen. Und sie würde darunter leiden. Das wusste Adrianne schon jetzt. Aber alles hatte nun mal seinen Preis.
Die Frauen des Hauses kamen in ihr Zimmer, als sie gerade aus dem Bad stieg. Sie kamen, um ihre Haut zu parfümieren, ihre Augen mit Kajal schwarz zu umranden und ihre Lippen rot zu färben. Die Szene geriet für Adrianne zu einem Traum, das unaufhörliche Schlagen der Trommeln, die Finger auf ihrem Körper, der Klang der unentwegt murmelnden Frauenstimmen. Ihre Großmutter saß in einem vergoldeten Sessel, überwachte die Vorbereitungen, gab Anweisungen und trocknete sich dabei die Augen.
»Erinnerst du dich an deinen Hochzeitstag, Großmutter?« Sie ließ einen Seufzer hören, schwach und dünn wie ihre alten Knochen. »Eine Frau vergißt niemals den Tag, an dem sie zur Frau gemacht wurde.«
Sie hüllten Adriannes Körper in weiße, hauchdünne, mit weißen Spitzen besetzte Seide. »Wie hast du dich damals gefühlt?«
Jiddah lächelte. Für eine Frau ihres Landes war sie schon recht alt, doch sie erinnerte sich noch genau an die Zeit, als sie ein junges Mädchen war. »Er war sehr schön, aufrichtig und noch so jung. Du siehst ihm ähnlich, genau wie dein Vater. Er war mein Cousin, aber älter als ich, wie es sich geziemt. Ich fühlte mich geehrt, für ihn ausgewählt worden zu sein, und gleichzeitig fürchtete ich, ihm nicht zu gefallen«, erzählte sie lachend, wobei etwas in ihren Augen aufblitzte, was Adrianne als pure,
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