Gefaehrliche Versuchung
Nicht! «, kreischte sie, Tränen in den Augen. Sie hatte ein kleines in Leder gebundenes Buch in der anderen Hand. Drake versuchte erfolglos, es ihr zu entwinden.
»Wo ist Kate?«, wollte Harry wissen und versuchte, trotz seiner schmerzenden Rippen durchzuatmen.
Alle drehten sich zu ihm um. »Weg!«, stieß Thrasher hervor und ging auf ihn zu. »Einfach … verschwunden! Als wir heute Morgen aufgewacht sind, hat die dumme alte Frau behauptet, dass Lady Kate mit George zusammen mitten in der Nacht aufgebrochen wäre. So ein Unsinn! Die haben ihr etwas angetan – so ist es!«
Harry riss sich mühsam zusammen. »Drake?«
Drake blickte ihn finster an. »Harry, du bist noch nicht bereit für das hier. Setz dich, und wir unterhalten uns.«
Harry hätte ihn beinahe erwürgt. » Wo ist sie? «
Drake seufzte. »Ich weiß es nicht. Zuletzt wurde sie gestern Abend gesehen, als sie sich in ihr Schlafgemach zurückgezogen hat. Nachdem ich über ihr Verschwinden in Kenntnis gesetzt worden war, bin ich zum Schloss gegangen, um Nachforschungen anzustellen. Wenn wir uns alle einmal hinsetzen könnten, dann könnte ich erzählen, was ich herausgefunden habe.«
Der Gastwirt, ein stattlicher Mann mit dickem Bauch, kam herein, um Erfrischungen anzubieten, wurde jedoch von Bea vertrieben. Harry fühlte sich nur noch verunsicherter und entmutigter. Er atmete vorsichtig durch, um den Schmerz in den Griff zu bekommen, und half Bea dabei, sich hinzusetzen.
»Bea«, sagte er und nahm neben ihr Platz, »wissen Sie, wo sie steckt?«
Sie kniff die Augen zusammen. »Nicht … nicht …«
»Nimm ihr das Buch ab«, schlug Drake mit leiser Stimme vor.
Mit einem eisigen Blick auf den charmanten Drake, der ihn hätte töten können, schob Bea sich das Buch ins Korsett. Fast hätte Harry angefangen zu lachen. Aber nur fast.
»Also. Die Geschichte«, forderte er und sah seinen Vorgesetzten an.
Drake fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. »Ich hätte die Geschichte angezweifelt, wenn Bea das Buch nicht gehabt hätte. Doch der Plan, den Kate sich ausgedacht hat, hat reibungslos funktioniert. Sie hat das Buch entdeckt und es unter dem Schreibtisch in der Bibliothek versteckt, wo Bea es an sich nehmen sollte. Und dann, irgendwann mitten in der Nacht, hat sie anscheinend George gebeten, sie von Moorhaven fortzubringen.«
»Schwätzer«, stieß Thrasher hervor. »Alles Unsinn. Ohne mich und Lady Bea wäre sie nirgendwohin gegangen.«
»Es wäre trotzdem möglich, dass sie es getan hat«, wandte Drake mit bedauerndem Blick ein. »Weil sie vielleicht etwas erfuhr, das sie aufgeregt hat. Die Geschichte hat im Haus bereits die Runde gemacht.« Er warf einen kurzen Blick auf seine Hände. »Es scheint so, als wäre Kate nicht die Tochter des Dukes of Livingston.«
Harry sprang auf. »Wer hat das behauptet? Ich werde ihn umbringen. Die Duchess war die ehrenwerteste Frau in Hampshire. Sie hätte niemals … «
Drake wirkte, falls das überhaupt möglich war, noch zerknirschter. »Es war eine Vergewaltigung. Ein Soldat auf der Durchreise, so vermutet man. Er hat sich draußen im Obstgarten an ihr vergangen. Der jetzige Duke meinte, dass seine gesamte Familie Bescheid gewusst hätte, aber dass die Duchess den Duke gebeten hatte, niemandem etwas zu verraten – vor allem nicht Kate. Es war ja nicht Kates Schuld. Die Duchess habe auf jeden Fall verhindern wollen, dass dem Kind Vorwürfe gemacht wurden.«
Irgendetwas schien Harrys Kehle zuzuschnüren, und ihm war schwindelig. »Kate hat es herausgefunden.«
Drake nickte. »In der vergangenen Nacht. Die Duchess sagte, sie fühle sich furchtbar deswegen, doch sie hätte die Wahrheit während eines Streits preisgegeben. Im nächsten Moment wäre Kates Kutsche mit George auf dem Kutschbock und Kate im Inneren die Auffahrt hinabgedonnert.«
Bea spuckte auf den Fußboden. » Chien. «
Harry fühlte mit ihr. »Was sagt der Stallmeister?«
Drake zog die Schultern hoch. »Er hat geschlafen. Ist aufgewacht, als die Kutsche davonfuhr.«
Er hat mich vielleicht nicht gemocht, aber er kann die Tatsache nicht verleugnen, dass ich die Tochter eines Dukes bin. Harry konnte Kates Stimme nicht aus dem Kopf bekommen. Sie war so stolz auf ihre Herkunft gewesen. Egal, was sie durchgemacht und wie man sie behandelt hatte, sie hatte gewusst, wer sie war. Auf einen Schlag war ihr auch das genommen worden.
Ein Bastard. Tochter eines Vergewaltigers. Er fürchtete, sich übergeben zu müssen. »Diese Leute
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