Gefaehrliche Versuchung
und klang nicht überrascht. »Also habt ihr euch geirrt. Die Löwen warten nicht auf den Vers, um zuzuschlagen.«
»Wenn sie schon ein Attentat auf den Duke verübt haben, wer weiß, was sie dann noch vorhaben? Uns läuft die Zeit davon.«
Er teilte die angespannte Stille mit ihr und dachte nach. Und wir wissen noch immer nicht, warum sie deinen Tod wollen.
Den ganzen Tag über war Kate beschäftigt. Harry war noch immer in Horse Guards, und sie kümmerte sich um die Kisten voller Unterlagen ihres Onkels.
Harry musste nach Portsmouth, um das Andenken seines Freundes zu verteidigen. Aber solange sie in Gefahr schwebte, war er hier gefangen. Und das Einzige, was Kate tun konnte, um zu helfen, war, das Vermächtnis eines Toten zu durchwühlen. Allmählich fing sie an, das Durchsuchen von Onkel Hilliards Eigentum zu hassen, denn allmählich kam es ihr sinnlos vor. Es gab nichts bei ihm zu finden, er war vollkommen uninteressant. Im Übrigen hatte sie zu viel Zeit, um zu grübeln. Und sie dachte nur an Harry. An den alten Harry. An den neuen Harry. An den Harry, den sie im Kopf gehabt und der sie aus einer Laune heraus verlassen hatte, um ein besseres Leben anzufangen. Und an den Harry, der er tatsächlich gewesen war: engagiert, getrieben, ehrenhaft und nett. An den Harry, der jetzt entschlossen war, für seinen Freund einzustehen.
Sie wollte ihm helfen. Egal, was er ihr in der Vergangenheit angetan hatte, er versuchte, jetzt ein richtiger Ehemann für sie zu werden. Er war freundlich und verständnisvoll. Das Mindeste, was sie tun konnte, war, ihn ebenfalls zu unterstützen.
Aber wie? Sie war völlig durcheinander. Es war so lange her, dass sie einen Mann ermutigen und ihn trösten wollte. Seit dem Tod ihres Vaters hatte sie den Wunsch nicht mehr verspürt. Und sie hatte es nie geschafft, ihm Mut zuzusprechen oder ihn zu trösten.
Harry dagegen? Sie wünschte, sie hätte mehr Zeit gehabt, um ihn in den Armen zu halten, nachdem er die Nachricht von Ians Tod bekommen hatte. Sie wünschte, er würde zurückkommen, damit sie mit ihm zusammensitzen konnte. Sie wollte einfach nur seine Hand halten oder die Arme um ihn legen, bis der Schrecken aus seinem Blick wich. Und sie wollte, dass er sie ebenfalls umarmte. Sie konnte es selbst kaum glauben.
Harry veränderte ihr Leben. Nicht spektakulär, sondern leise und in winzigen Schritten. Zum Beispiel die langen, innigen Küsse, für die er keine Gegenleistung erwartete; die Meinungsverschiedenheiten, die nicht mit Fäusten oder Tritten oder der kalten Stille der Isolation gelöst wurden. Gott, hätte sie je damit gerechnet, in einer Ehe so viel zu lachen? Und es war der ruhige Mut eines Mannes, der seine Albträume in einem zerfledderten Skizzenblock festhielt und doch jeden Morgen aufstand, um sich, ohne zu zögern, der Welt zu stellen.
Verglichen mit ihm, war sie ein Feigling. Sie hatte ihre Albträume nicht akzeptiert und lebte ihr Leben trotzdem weiter. Sie hatte zugelassen, dass sie sie beherrschten und lähmten. Wenn Harry sich nicht in ihr Leben gedrängt hätte, würde sie noch immer die Türen abschließen und versuchen, mit ihren Kerzen die Nacht zu vertreiben. Sie hätte nicht gewusst, wie sie sich ändern sollte und wie sie mehr erwarten könnte.
Aber wie viel wollte sie, fragte sie sich, als sie eine weitere Kiste ihres Onkels auspackte. Wollte sie eine Ehe, auch wenn der bloße Gedanke daran sie schon zu Tode ängstigte? Wollte sie, dass Harry seine Reisen machte und sie das Leben leben ließ, das sie sich immer gewünscht hatte? Oder wollte sie, dass er seine Träume aufgab und ihre Träume teilte? Oder wollte sie sogar mit ihm gehen? Wusste sie überhaupt, wie sie ihn fragen konnte?
Es war jedoch keine Frage, die unbedingt jetzt beantwortet werden musste. Jetzt musste sie sich darauf konzentrieren, die Rolle der verliebten Ehefrau so überzeugend zu spielen, dass Edwin verlor. Sie musste Harry dabei helfen, den Löwen die Zähne zu ziehen und sie zu überführen. Erst nachdem das geschafft wäre, würde sie darüber nachdenken, wie es mit ihrer Ehe weiterginge.
Und so lächelte sie, als sie am Abend hinter Grace und Bea die Treppe hinauf in den Ballsaal der Hamptons schritt. Die Hand hatte sie auf Harrys Arm gelegt. Überrascht stellte sie fest, wie stolz sie auf ihn war. Er sah gut aus in seinem schwarzen Abendanzug, mit den weizenblonden, kurz geschnittenen Haaren und der Krawatte, die akkurat gebunden war. Bea hatte ihn »Brummell« genannt, als
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