Gefährliche Wahrheit - Rice, L: Gefährliche Wahrheit
murmelte er und nickte mit dem Kopf in Richtung einer weiteren Tür am anderen Ende des enormen Raumes. „Ich habe Ihnen schon das Bad richten lassen.“ Als er ihre zerrissene, schmutzige Kleidung betrachtete, lächelte er schwach. „Sie möchten sich bestimmt gerne umziehen, aber da Ihnen von meinen Sachen sicherlich nichts passen würde, habe ich einen meiner Gi s für Sie herauslegen lassen. Ich hoffe, Sie halten ihn für angemessen. Er ist brandneu, ich habe ihn noch nie getragen. Und er ist das Einzige, was mir für Sie eingefallen ist. Zumindest ist er bequem und sauber.“
„Danke schön“, erwiderte sie höflich. „Das ist sehr freundlich. Was ist ein Gi ?“
Wieder dieses angedeutete halbe Lächeln. „Ein Gi ist die Trainingsuniform für eine ganze Reihe von Kampfsportarten. Er besteht aus einem kimonoähnlichen Oberteil und einer Hose mit Durchziehband, sodass man sich den Bund so eng zusammenbinden kann, wie man möchte. Sie finden ihn oben auf dem Handtuchschrank, zusammen mit allem, was für ein Bad nötig ist.“
Offensichtlich hatte er irgendwie die Zeit gefunden, der Armee von Bediensteten Anweisungen zu erteilen, über die er zweifellos verfügen musste, damit dieser gewaltige Haushalt reibungslos lief. Aber wann? Sie hätte schwören können, dass sie jedes Wort gehört hatte, das er geäußert hatte, seit sie hier angekommen waren.
„Gut. Danke!“
Er nickte, umfasste wieder ihren Ellenbogen und steuerte sie auf die Tür am anderen Ende des Zimmers zu.
Es schien eine halbe Stunde zu dauern, sein Schlafzimmer zu durchqueren. Sie hatte noch nie ein so riesiges Zimmer gesehen. Es war mindestens so groß wie das Loft eines von Harolds Bildhauern in Tribeca. Nur dass das hier nicht im für Manhattan typischen minimalistischen Schwarz-Weiß-Dekor ausgestattet war, sondern es war in seiner Pracht nahezu barbarisch.
Ein riesiges antikes Himmelbett, in dem eine ganze Basketballmannschaft schlafen könnte, stand darin, mit prächtigen smaragdgrünen Laken aus kostspieliger glänzender Baumwolle, die eindeutig maßgefertigt waren. Keine normalen Laken würden auf dieses gewaltige Bett passen.
Es juckte ihr in den Fingern, den Stoff anzufassen, so dick und weich sah er aus. Und obendrauf lag eine smaragdgrüne Daunendecke.
Ihr eigenes Bett war nett. Sie hatte sich von ihrem Geldsegen ein großes Bett mit orthopädischer Matratze gegönnt und sie liebte hübsche Bettwäsche, aber mit dem hier war es natürlich nicht zu vergleichen.
Auch hier gediehen unzählige riesige, üppige Pflanzen. Die Luft hatte eine Frische, die nur Pflanzen einem Raum verleihen konnten. Überall lagen dicke Teppiche in leuchtenden Farben, zudem waren Sitzgruppen in dem riesigen Raum verteilt und schufen gemütliche kleine Ecken.
Sie kamen an einem Kamin aus schwarzem Marmor vorbei, in dem man einen ganzen Elefanten hätte grillen können. Jemand hatte das Feuer vor mindestens einer Stunde angezündet, wie man den rauchlosen, orangeroten Flammen ansah, die gierig emporzüngelten.
Farben. Überall waren üppige, satte Farben. Mit einem Mal wurde ihr klar, wie sehr ihr in Manhattan Farben fehlten, wo alles entweder schwarz und weiß war oder beige und braungrau, wenn der Innenarchitekt mal etwas ganz Verrücktes wagte.
Farbe war ein Geschenk der Götter, und ihr war einfach unbegreiflich, wie jemand in einer schwarz-weißen Umgebung leben konnte. Hier herrschte jedenfalls kein Mangel an Farbe. Farben und Strukturen und – sie musste sich beherrschen, um nicht mit offenem Mund davor stehen zu bleiben – eine Aussicht, für die manch einer gemordet hätte. Sie befanden sich sehr weit oben. Die Lichter von Manhattan lagen wie ein Arrangement von Diamanten vor ihnen, das eine ganze Wand einnahm. An den Seiten der riesigen Fenster hingen dichte grüne Vorhänge. Um die Mittagszeit musste das Zimmer lichtdurchflutet sein. In einiger Entfernung konnte sie das Chrysler-Gebäude und das Empire State Building sehen, und das tiefschwarze Viereck ganz in der Nähe musste der Central Park sein. Sie befanden sich also in einer schwerreichen Gegend. Wohnraum in dieser Größe, in diesem Postleitzahlenbereich – das sprach für jemanden in der Oberliga der Megareichen.
Sie war so sehr damit beschäftigt gewesen, sich umzusehen, dass sie kein Wort gesagt hatte, aber Drake schien ihr Schweigen nichts auszumachen. Wie ungewöhnlich. Die meisten Männer mochten Schweigen nicht. Sie wollten den Klang ihrer eigenen Stimme hören und
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