Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
gegangen war, saß Sanders regungslos an seinem Schreibtisch und starrte seine Hände an.
Im Büro war kein Laut zu hören. Er beschäftigte zwei Sekretärinnen, zwei Anwaltsgehilfinnen und zwei Praktikanten. Sie alle waren schon lange gegangen, hatten wegen des schlechten Wetters früher Schluss gemacht. Er war mit seinen Gedanken allein im Büro.
Sanders war sich bewusst, dass er soeben eine zweite Chance bei Caroline erhalten hatte, aber er musste die nächsten Schritte jetzt sehr sorgfältig überdenken.
Der FBI -Agent hatte seine eigenen Absichten und Prioritäten, und die hatten nichts damit zu tun, Caroline Lake wieder mit Sanders McCullin zusammenzubringen.
Das hatte Special Agent Butler ihm sehr deutlich zu verstehen gegeben. Er hatte auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er wollte, dass sich Sanders da raushielt. Butler hatte von ihm nur ein paar Informationen gewollt und Sanders davor gewarnt, sich einzumischen, was dieser allerdings sehr wohl vorhatte, da es darum ging, Caroline zurückzugewinnen.
Seit wann war sie eigentlich mit diesem Kerl zusammen? Diesem Jack Prescott oder wie zum Teufel er nun hieß. Die Affäre konnte noch nicht lange laufen, denn erst letzte Woche hatte Sanders Jenna getroffen, und sie hatte nichts davon gesagt, dass Caroline jemand kennengelernt hätte.
Das zeigte nur wieder mal, dass Caroline gar nicht fähig war, allein mit ihrem Leben klarzukommen. Sie hatte nicht auf ihn gehört, als er darauf bestanden hatte, Toby in ein Heim zu geben, sie hörte nicht auf ihn, wenn er ihr riet, Greenbriars zu verkaufen, und jetzt ließ sie sich auch noch mit einem Verbrecher ein.
Sanders wusste instinktiv, dass ihm das hervorragende Munition für die Zeit verschaffte, wenn sie erst mal verheiratet waren. Jedes Mal wenn sie sein Urteil infrage stellen würde, konnte er diese gewaltigen Geschütze hervorholen. Ach ja? Und wer von uns hat noch mal einen Massenmörder gefickt?
Schon würde sie die Klappe halten und tun, was er sagte, garantiert!
Die letzten vierundzwanzig Stunden hatten ihm einige verwirrende neue Einsichten über sich selbst gebracht. Seit Jahren schon kreuzten sich seine und Carolines Wege immer wieder. Sicher, er hatte mit anderen Frauen geschlafen, aber zum Teufel, er war schließlich ein Mann, also, was soll’s?! Doch er hatte sie nie so ganz aus den Augen verloren, und er wusste, dass er nur auf den richtigen Moment gewartet hatte. Dieser Moment war jetzt gekommen, ohne Einmischung vonseiten ihrer Familie.
Außerdem hatte er festgestellt, dass es ihm gefiel, die Oberhand bei ihr zu haben. Das war ein Aspekt seiner Persönlichkeit, der im Umgang mit anderen Frauen noch nie zum Vorschein gekommen war. Seine Liebschaften waren immer clever und gut im Bett. Er hatte von ihnen nie mehr erwartet, als sich ein paar Stunden gut zu amüsieren und vielleicht noch ein paar gute Verbindungen in Bezug auf seinen Beruf rauszuschlagen. Es war nie so weit gekommen, dass es ihm wichtig gewesen wäre, ob sie sich ihm unterordneten oder nicht.
Aber wie sich herausstellte, gefiel es ihm zu dominieren.
Dominanz .
Caroline brauchte jemand Dominantes. Sie brauchte eine starke Hand. Und zu seinem Erstaunen und zu seiner Freude hatte er entdeckt, dass es ihn anmachte, wenn sie sich ihm widersetzte. Wenn sie erst einmal verheiratet waren, konnte er sich über eine gehorsame Frau freuen, die finanziell von ihm abhängig war und es vermied, ihn zu verärgern, weil sie nämlich mit dem Falschen geschlafen hatte. Das würde Sanders sie nie vergessen lassen.
Sanders warf noch einen Blick auf die Visitenkarte, die Special Agent Butler ihm dagelassen hatte, und auf die Telefonnummer, die ganz unten stand.
Sanders war ein umsichtiger Anwalt und es gewohnt, sämtliche Tatsachen zu überprüfen. Aufgrund dieser Veranlagung verlor er nur selten eine Verhandlung.
Er nahm das Telefon und tippte die Nummer ein. Beim zweiten Klingeln wurde abgehoben.
» FBI -Außenstelle New York, wie kann ich Ihnen helfen?«, sagte eine weibliche Stimme mit einem deutlichen hispanischen Akzent.
»Ich möchte gerne mit Special Agent Darrell Butler sprechen.«
»Tut mir leid, Sir, aber Special Agent Butler ist im Moment außer Haus. Kann ich ihm etwas ausrichten?«
»Nein, vielen Dank.«
Sanders legte den Hörer sanft auf die Gabel und lächelte.
Ja, alles entwickelte sich ganz prächtig.
15
»Iss.« Jack blickte mit gerunzelter Stirn auf Carolines Teller, auf dem ein Stück Hühnerfleisch lag, an
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