Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
leidenschaftlichen Bewegungen. Ihr ganzer Unterleib ging vollkommen im Sex auf. Aber zugleich beschäftigte er auch ihren Kopf. Eigentlich führten sie zwei Unterhaltungen auf einmal. Heißer Sex unter der Gürtellinie, wo ihre Körper laut und deutlich miteinander kommunizierten, und eine tief gehende Unterhaltung vom Hals aufwärts.
»Toby. Vor dem Unfall war Toby ein richtiger kleiner Lausbub, weißt du? Ein Schlingel. Er hatte ständig Ärger, aber irgendwie kam er dann doch immer ungeschoren davon, weil er dieses breite, freche Grinsen hatte, bei dem man einfach dahinschmolz. Man hat ihm alles vergeben, bis zu seinem nächsten Streich. Ich hab ihm sogar den Frosch verziehen, den er mir ins Bett gelegt hatte, sodass ich fast einen Herzinfarkt bekam.« Caroline beobachtete Jacks Gesicht, während sie erzählte. Noch nie hatte ihr jemand so aufmerksam zugehört, sich vollkommen auf sie konzentriert.
Wie er wohl als Junge gewesen sein mochte? Ein Strolch? Überaktiv und spitzbübisch? Wahrscheinlich nicht. Er war vermutlich schon immer still und ernst gewesen. Obwohl in seinem Gesicht irgendetwas lag, das ihr fast … vertraut vorkam, wenn sie jetzt so über ihn als Jungen nachdachte. Aber das war lächerlich.
»Nach dem Unfall lag er drei Monate im Koma. Er konnte nie wieder gehen. Und sechs Jahre lang hat er sich nicht ein Mal beklagt, nicht einmal, wenn die Schmerzen unerträglich wurden. Er hatte gerne Menschen um sich, aber niemand besuchte ihn. Seine Schulfreunde kamen schon, zumindest anfangs, aber dann nicht mehr. Toby saß im Rollstuhl, er hatte Krampfanfälle, und das machte den Leuten Angst. Niemand wollte Toby sehen und daran erinnert werden, dass er das verkörperte, was auch ihnen jederzeit zustoßen konnte. Meine beste Freundin aus der Highschool sagte einmal zu mir, dass sie nicht verstehen könne, warum ich Toby nicht in ein Heim gebe.«
Caroline blickte in das dunkle Gesicht empor, das nur wenige Zentimeter über ihrem schwebte. Seine dunklen Augen bohrten sich in ihre. Während sie geredet hatte, hatte er das Tempo beschleunigt, sodass das Bett knarrte.
Caroline fiel langsam in den Orgasmus hinein, aber irgendwie konnte sie nicht aufhören zu reden.
»Toby war so unglaublich tapfer.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, während sie ihn dabei beobachtete, wie er sie beobachtete. »Er konnte nicht gehen, und am Ende war er kaum noch in der Lage, sich überhaupt zu bewegen, aber er ließ sich nicht unterkriegen. Und er sorgte dafür, dass auch ich mich nicht unterkriegen ließ. Ich glaube, in den letzten beiden Jahren wusste er, dass er bald sterben würde, aber er hat nie etwas gesagt. Ich war so stolz auf ihn. Ich finde, er war tapferer als jeder Soldat, der eine Medaille bekommen hat, und … und jedes Mal wenn ich einen Freund mit nach Hause brachte oder jemanden, mit dem ich zusammen war, haben sie so getan, als ob Toby gar nicht da wäre. Oder sie haben zu laut geredet, als ob er einen Hirnschaden hätte. Und sie haben sich immer so benommen, als ob ich … als ob ich mich für ihn schämen sollte, wo ich doch … Oh Gott, Jack! Oh! «
In diesem Moment setzte Carolines Orgasmus ein, in langen, fließenden Schüben, die so stark waren, dass sich sogar ihre Bauchmuskeln zusammenzogen. Sie zitterte am ganzen Leib. Die Lust schien sie zu sprengen. Noch bevor die Kontraktionen ganz abgeebbt waren, vergrub sie ihr Gesicht an Jacks Hals und brach in Tränen aus.
Es war ihr unmöglich, damit aufzuhören, sie hätte die Tränen nicht einmal dann zurückhalten können, wenn ihr Leben davon abgehangen hätte. Der heiße Sex und ihr Orgasmus hatten sie jeglicher Verteidigungsmechanismen beraubt, die sie normalerweise hätte aufbringen können. Sie fühlte sich entblößt und verwundbar, ihrer tiefsten Trauer preisgegeben.
Sie weinte, bis sie kaum noch Luft bekam, und dann noch ein bisschen mehr. Sie weinte all ihren Kummer und ihre Wut und ihre Angst aus sich heraus. Sie weinte über die langen, einsamen Nächte, in denen sie es nicht gewagt hatte zu weinen, weil Toby am Morgen ihr verquollenes Gesicht hätte sehen können und es gewusst hätte. Sie weinte um drei wunderbare Leben, die auf so tragische Weise viel zu früh geendet hatten, und weil sie auf der anderen Seite der Wand zwischen Leben und Tod zurückgelassen worden war.
Und sie weinte, weil es sich manchmal so angefühlt hatte, als stände sie nicht auf der Seite der Lebenden, sondern auf der anderen Seite. Wie oft hatte sie sich
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