Gefährlicher Sommer
ganz entschieden zu weit.«
»Der Hund ...«
»Wenn jeder hier herumstreunende, angeschlagene Hund das Indiz für ein Verbrechen wäre, müssten auf dieser Insel ständig Verbrechen verübt werden. Also lass uns mit dem Köter zufrieden!«
Christopho seufzte. Es hatte keinen Zweck, ihnen klarmachen zu wollen, dass die meisten Deutschen ein anderes Verhältnis zu ihren Hunden hatten als Spanier und dass es für einen Hund wie Tobi absolut ungewöhnlich war, unbeaufsichtigt in der Gegend herumzulaufen. Sie würden ihm nicht mehr zuhören.
Er stieg auf sein Moped und fuhr nach La Laguna, um nach Tobi zu sehen. Der Hund hatte die ganze Wasserschüssel ausgeschlabbert und schien sich etwas besser zu fühlen. Er war sehr unruhig. Immer wieder stand er auf und wollte zum Gartentor laufen. Christopho hielt ihn fest. »Nicht! Du sollst doch ganz ruhig liegen bleiben, hat der Arzt gesagt!«
Er ging ins Haus und rief im »Burning Star« an, um zu sagen, dass er heute Abend nicht kommen würde. Sein Chef maulte, aber Christopho blieb hart. Selbst wenn sie ihn hinauswarfen - heute Abend musste er hier die Stellung halten.
Keiner der Gefangenen konnte einschlafen. Sie ließen eine Kerze brennen, weil ihnen das ein tröstliches Gefühl gab, und lauschten auf die Geräusche im Haus. Etwa gegen halb zwölf wurde draußen der Kombi vorgefahren. Sie vernahmen Schritte, die eilig hin und her liefen, gedämpfte Stimmen und Rufe. Offenbar ging es hektisch zu. Dann schrien wieder Papageien - wie damals an dem Abend, als Pat und Manuel in dem Haus um Hilfe baten. Tatsächlich war das ja erst vorgestern gewesen. Es kam ihnen allen wie eine Ewigkeit vor. Schließlich wurde der Motor wieder angelassen, und das Auto entfernte sich. Totenstille blieb zurück.
»Da entkommen sie nun«, sagte Chris bitter. Er war der Erste, der das Schweigen unterbrach. »Sie entkommen mit drei Dutzend gestohlenen Papageien - und wir sitzen hier und können überhaupt nichts tun!«
»Ich bin froh, dass sie weg sind«, meinte Diane schaudernd.
»Ich hatte Angst vor diesem ... Carlo nannte er sich, oder? Jetzt können sie uns wenigstens nichts mehr tun!«
»Aber sehr rosig ist unsere Lage jedenfalls nicht«, meinte Angie. »Wenn uns keiner findet, sterben wir hier. Was glaubt ihr, wie lange wir es aushalten können ohne Essen und Trinken?«
»Ohne Essen kann man es eine ganze Zeit aushalten«, meinte Manuel, »aber ohne zu trinken, nur eine ganz kurze Zeit. Drei Tage vielleicht.«
Drei Tage! Das war wenig Zeit.
»Das sind ganz gemeine Verbrecher!«, flüsterte Diane. »Wie können Menschen nur so grausam sein?«
»Wenn das professionelle Tierhändler sind, gehen sie über Leichen«, sagte Pat. »Das sind die rücksichtslosesten Banditen, die es gibt. Sie rotten ganze Tierarten gewissenlos aus und scheren sich einen Dreck darum, ob es vielleicht gerade der letzte Elefant oder letzte Leopard ist, den sie erlegen. Von solchen Leuten kann man nicht erwarten, dass sie mit Menschen zimperlich umgehen - schon gar nicht, wenn die ihre Geschäfte stören, so wie wir.«
»Meine letzte Hoffnung ist Tom«, sagte Chris. »Er muss inzwischen gemerkt haben, dass wir schon die zweite Nacht nicht zu Hause sind.«
»Wenn er angerufen hat!«
»Tom ist so gewissenhaft; nach allem, was wir ihm erzählt haben, ruft er wahrscheinlich jede Viertelstunde an!«
»Aber er spricht nicht Spanisch. Wie soll er sich mit der Polizei in Verbindung setzen und denen klarmachen, was los ist?«
»Das geht nur über Brigitte.«
»Ja, und die ist in Madrid! Wie soll Tom denn an die rankommen?«
»Vielleicht kommt sie an ihn heran«, meinte Manuel. »Denn wie ich meine Mutter kenne, telefoniert sie schon überall herum, um rauszufinden, wo wir sind. Immerhin kann sie uns ja auch seit zwei Tagen nicht erreichen.«
Sie schwiegen wieder. Alle diese Gespräche hatten sie in den endlosen Stunden ihrer Gefangenschaft hundertmal geführt, und nie waren sie zu einem Ergebnis gelangt. Würde Tom ...? Würde Brigitte ...? Was wäre wenn ...? Das Schlimme war, sie konnten nichts tun. Sie konnten nur in ihrer finsteren Kammer sitzen und warten.
»Hört mal«, sagte Angie plötzlich. »Kommt da jemand?«
Diane wurde sofort wieder blass. Aber alle anderen sahen auf einmal wacher und lebendiger aus. Sie drängten sich zur Tür.
Sie vernahmen ein Tappen auf der Treppe, dann ein Rascheln und Kratzen, und dann hörten sie, direkt auf der anderen Seite der Tür, ein Bellen.
Pat schrie auf. »Tobi!
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