Gefährlicher Verführer
wieder, ihn an den Rand des Wahnsinns zu treiben.
»Weißt du eigentlich, wie es für mich war, aufzuwachen und die Erde nicht
verlassen zu können und gleichzeitig zu wissen, in welcher Gefahr du
schwebtest? Ich spürte deine Angst, hatte jedoch keine Möglichkeit, dir zu
helfen.«
Mit langen Schritten überquerte
Darius eine Wiese voller Wildblumen, die von den Hagelkörnern niedergedrückt
worden waren. Noch immer fiel der Regen in Sturzbächen. Über ihren Köpfen
zuckten Blitze, und in der Ferne grollte der Donner.
»Aber du bist mir doch zu
Hilfe gekommen«, erinnerte Tempest ihn beharrlich.
»Dazu musste ich mich eines
Tieres bedienen, das dich verletzte, wenn auch unabsichtlich. Natürlich bin
ich trotzdem dankbar, dass ich den Vogel fand. Warum tust du diese Dinge?«
»Es ist ja nicht so, als
zöge ich aus und suchte nach Schwierigkeiten, Darius«, protestierte Tempest.
»Ich wusste nicht, dass Brodrick mir auflauern würde.« Sie warf einen Blick auf
seine strengen Züge und berührte dann seinen Mundwinkel mit der Fingerspitze,
um ihn zu beruhigen. Als sie einen Augenblick lang in seinen Gedanken las, fand
sie dort nichts als einen roten Nebel aus Angst und Zorn.
»So kann es nicht
weitergehen, Tempest. Es ist gefährlich, nicht nur für uns, sondern für alle
Sterblichen und Unsterblichen. Du darfst mich nicht verlassen. Wie bist du nur
auf diese dumme Idee verfallen?«
Hörte sie etwa einen
verletzten Unterton in seiner schönen, ernsten Stimme? Das hatte sie nicht
gewollt. »Wir sind einfach zu verschieden, Darius. Ich verstehe die Welt nicht,
in der du lebst. Ich weiß nicht einmal, was du damit meinst, wenn du sagst,
dass du an die Erde gebunden bist. Und du erklärst mir diese Dinge nie. Ich
weiß nicht, wozu du fähig bist, ob du zum Beispiel einen Menschen aus weiter
Entfernung umbringen kannst. All das ist... ein wenig beunruhigend, um es vorsichtig
auszudrücken.«
Tempest zitterte in seinen
Armen und lenkte Darius' Aufmerksamkeit auf den Regen. Er atmete tief ein, um
sich besser konzentrieren zu können und den Sturm abebben zu lassen, den er
geschaffen hatte. Gleich darauf fiel nur noch ein leichter Nieselregen. Die
finsteren Wolkenberge trieben allmählich auseinander. Ein leichter Wind kam
auf und verdrängte die Nebelschwaden.
»Du bist verletzt, Tempest.
Du hättest auf mich warten sollen. Du wusstest doch, dass ich zu dir kommen
würde, sobald ich konnte. Doch stattdessen bist du davongelaufen.« Darius warf
sich in die Luft und wandelte dabei mühelos seine Gestalt.
Tempest keuchte erschrocken
auf und klammerte sich an den Schuppen fest, die plötzlich seinen Körper überzogen.
Dann schloss sie die Augen, als sich die Erde immer weiter von ihr entfernte
und der Wind um sie herum rauschte. Sie fühlte sich sicher und beschützt in
Darius' Armen, obwohl sie im Augenblick ausgesprochen merkwürdig aussahen. Es
erstaunte sie, dass er diese Leistung vollbringen konnte. Er veränderte seine
Gestalt, flog durch die Luft und erwartete auch noch von ihr, dass sie diese
Dinge als alltäglich akzeptierte.
Darius flog mit ihr durch
den Nachthimmel, in dem die Sterne glitzerten. Er brauchte das Gefühl, Tempest
ganz in seiner Nähe zu haben. Er trug sie über einen Berg hinweg und zu einem
Plateau in der Nähe eines Wasserfalls. Es schien, als wären sie ganz allein
hoch oben über der Welt. Unter ihnen stieg feiner Dunst auf, und die Gischt des
Wasserfalls hüllte sie in einen Nebel aus winzigen Tropfen ein.
Als die Klauen des riesigen
Drachens den Boden berührten, nahm Darius wieder seine menschliche Gestalt an.
Einen Augenblick lang sah Tempest den Kopf einer Echse vor sich, die sie nur an
Darius' dunklen Augen erkannte. Doch dann beugte er sich in seiner menschlichen
Gestalt über sie, bis seine sinnlichen Lippen nur noch wenige Zentimeter von
ihren entfernt waren. Tempest stockte der Atem, und ihr Herzschlag
beschleunigte sich.
»Das darfst du nicht«,
flüsterte sie an seinen Lippen.
»Ich muss«, erwiderte er
leise. Ihm blieb keine andere Wahl. Er musste Tempest küssen, sie im Arm halten
und sie ganz besitzen. Er hatte beim Aufwachen so große Angst um sie
ausgestanden, dass er jetzt nur noch eines tun konnte - er musste das Ritual
vollenden und sie für immer an sich binden. Es kümmerte ihn nicht mehr, dass er
gegen seine eigenen Gesetze verstieß, an die er sein Leben lang geglaubt hatte.
Er musste Tempest einfach bei sich haben und dafür sorgen, dass sie für immer
in
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