Gefährlicher Verführer
Augenblick und stand dann auf. Tempest hätte gern vorgegeben,
sich Darius widersetzen zu wollen, doch in Wirklichkeit wünschte sie sich
nichts sehnlicher, als bei ihm zu sein. Im Augenblick nahm sie lediglich ihre
Kraft zusammen. Sie stieß einen übertriebenen Seufzer aus, um ihm deutlich zu
machen, wie sehr er ihr auf die Nerven fiel, und ging dann den schmalen Gang
entlang zur Tür des Busses. Dabei bemühte sie sich sehr, nicht bei jedem
Schritt zusammenzuzucken, als die Schnittwunden an ihren Fußsohlen brannten.
Als sich Tempest dem
Busfahrer näherte, wandte sich der Mann zu ihr um. Sie sah sehr zierlich und
zerbrechlich aus, ihre Kleidung war zerrissen und blutverschmiert. »Sind Sie
sicher, dass alles in Ordnung ist, Miss?« Er vermied es sorgfältig, dem Blick
des Mannes zu begegnen, der neben Tempest stand.
Darius versuchte, den
Busfahrer einzuschüchtern. Doch schon versetzte Tempest ihm einen Stoß gegen
die Brust, um ihn von dem Mann abzudrängen. »Es geht mir gut«, versicherte sie
dem Busfahrer. »Aber ich danke Ihnen für die Nachfrage.«
Darius legte ihr den Arm um
die schlanke Taille und zog sie schützend an sich. Wenn er Tempest gestattete,
noch länger auf den Beinen zu bleiben, würde sie vermutlich vor Erschöpfung
zusammenbrechen.
Der Busfahrer beobachtete,
wie der Mann und die junge Frau die beiden Stufen hinunterstiegen. Hinter ihnen
schlössen sich die Türen. Noch immer ging der Wolkenbruch nieder, der dem
Busfahrer die Sicht nahm. Er blinzelte und starrte angestrengt durch die
Windschutzscheibe, konnte jedoch niemanden entdecken. Der mysteriöse Gangster
und die Frau waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Es war nicht
einmal ein Auto in der Nähe.
Wortlos nahm Darius Tempest
auf den Arm und legte den Weg zu seiner Familie mit übernatürlicher
Geschwindigkeit zurück. Tempest schmiegte sich an seine Brust und betrachtete
die anderen, die sich um sie drängten.
»Geht es dir gut?«, fragte
Desari sanft.
»Ihr fehlt nichts«,
antwortete Darius, ehe Tempest auch nur ein einziges Wort herausbrachte. »Wir
werden beim nächsten Sonnenuntergang zu euch stoßen.«
»Bis zu unserem nächsten
Konzert bleibt uns nicht mehr viel Zeit«, erinnerte Dayan ihn. »Wir brauchen
dich dort.«
Darius' dunkle Augen
blitzten auf. »Habe ich euch je im Stich gelassen?« Die Zurechtweisung war
deutlich.
Tempest klammerte sich an
seinen Mantelaufschlägen fest.
»Du bist wütend auf mich,
Darius, nicht auf deine Familie.« Sie flüsterte die Worte und vergaß dabei,
dass alle Karpatianer über ein ausgesprochen feines Gehör verfügten.
Kein weiteres Wort mehr,
Tempest. Ich bin nicht wütend auf dich. Ich rase vor Zorn.
»Was für eine Überraschung«,
murmelte Tempest grimmig.
Du solltest im Augenblick
wirklich Angst vor mir haben, wies Darius sie zurecht. Seine Stimme klang sanft,
aber einschüchternd.
Doch er konnte Tempest mit
seinen Drohgebärden nicht beeindrucken. Instinktiv wusste sie, dass er ihr
niemals etwas antun würde. Vermutlich war sie im Augenblick die einzige Person
auf der Welt, die sich wirklich in Sicherheit wiegen konnte. Daher schmiegte
sie sieh einfach enger an Darius und legte ihm vertrauensvoll die Arme um den
Hals. Auch wenn er sie im Augenblick als seine Gefangene behandelte, hatte sie
dennoch keine Angst vor ihm. Allenfalls davor, dass er sie besitzen wollte. Vor
seinen Absichten. Doch sie fürchtete sich nicht vor ihm selbst. Er würde sie
niemals verletzen.
Darauf solltest du dich
nicht verlassen. Für deinen kindischen Trotz hättest du wirklich eine
Abreibung verdient, schalt Darius sie und gab sich alle Mühe, streng zu
klingen. Er drehte sich um und trug Tempest in die Nacht hinaus.
»Ich habe Schmerzen«, sagte
sie leise an seinem Hals.
»Glaubst du denn, dass ich
deinen Schmerz nicht spüren kann?«, fragte Darius. »Und schlimmer noch, ich
konnte dir nicht helfen, wie es meine Pflicht gewesen wäre.«
»Ich habe es aber überlebt«,
erwiderte sie.
Darius fluchte ausgiebig,
wobei er immer wieder in eine eigenartige, uralte Sprache verfiel. »Aber es war
knapp, Kleines. Brodrick wollte dich umbringen. Warum musstest du denn
unbedingt den Ort verlassen, an dem du in Sicherheit warst?«
»Das habe ich dir bereits
erklärt«, antwortete Tempest aufrichtig. »Ich habe ein Problem mit
Autoritätspersonen.«
»Das solltest du schleunigst
überwinden«, befahl Darius ihr mit fester Stimme. Diesmal meinte er es ernst.
Sie schaffte es wirklich immer
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