Gefährliches Doppel - Duisburg-Krimi
gerade sicher. Aber irgendwie musste es gehen. Er hasste körperliche Schwäche, seelische natürlich auch.
Marianne hatte inzwischen einen Arm um seine Taille gelegt. Für einen Augenblick verharrten sie in dieser Stellung. Während Pielkötter seinen Puls zu messen versuchte, eilte eine Frau mittleren Alters quer durch einen Garten geradewegs auf sie zu, trat durch das kleine Tor hinaus und überquerte den Schienenstrang, der sie vom Uferweg trennte.
»Ich habe Sie vom Fenster aus gesehen«, erklärte die Frau, als sie ein wenig atemlos vor ihnen stand. Sie zeigte auf die Villa hinter ihr. »Soll ich einen Krankenwagen rufen?«
»Nicht nötig«, wehrte Pielkötter ab, nachdem er sie eine Weile fassungslos angestarrt hatte. Pielkötter wusste nicht recht, ob ihm inzwischen der kleine Schwächeanfall mehr zu schaffen machte oder der Anblick der Frau. Inken!, war es wie ein kleiner Blitzschlag durch seinen Kopf geschossen, noch ehe die Frau zum Sprechen angesetzt hatte. Konnte sie wirklich Inken sein? Wie war Inken hierhergekommen? Und warum erkannte sie ihn nicht? Fast hätte er über seine törichte Frage gelächelt. Schließlich hatten sie sich seit über dreißig Jahren nicht mehr gesehen. Wie sehr hatte er sich in dieser Zeit doch verändert!
»Geht es Ihnen wieder etwas besser?«, fragte Inken.
Oder ähnelte die Frau einfach nur seiner alten Jugendliebe? Immerhin wusste er nicht, wie Inken heute aussah. Sicher hatte auch sie sich verändert.
»Meine Frau kann den Wagen holen«, brachte er schließlich hervor. »Ich muss es nur bis zur Straße schaffen.«
Pielkötters Blick wanderte automatisch an der Reihe Villen entlang, deren Grundstücke einen direkten Zugang zur Straße ver sperrten. Die Frau beobachtete ihn. Skeptisch starrte sie ihn plötzlich an. Sympathie und Anteilnahme schienen urplötzlich aus ihrer Miene verschwunden zu sein.
»Wo haben Sie Ihren Wagen denn abgestellt?«, fragte sie zögernd.
»Auf dem Parkplatz bei Renzis Wasserbahnhof.«
»Dann kommen Sie doch wohl am besten mit ins Haus«, erklärte die Frau unglücklich. »Die nächste öffentliche Passage zur Straße ist viel zu weit.« Dabei klang ihre Stimme, als hätte sie sich nur ungern zu diesem Entschluss durchgerungen.
»Wir nehmen dich in die Mitte«, bestimmte Marianne.
Pielkötter jedoch winkte ab. Inzwischen traute er sich zu, allein zu gehen. Alles andere wäre ihm auch ungeheuer peinlich gewesen, besonders vor Inken oder dieser Frau mit Inkens meergrünen Augen und dem rotblonden Haar. Er würde sehen, wie sie auf seinen Namen reagierte.
»Hauptkommissar Pielkötter«, stellte er sich vor, wobei er sie genau beobachtete.
Für einen kurzen Moment wirkte ihre Miene irritiert, blitzte Er staunen in ihren Augen auf. Anschließend versteckte sie sich schnel l wieder hinter einer neutralen Maske. Was hatte das zu bedeuten? Wollte Inken ihn nicht wiedererkennen? Wegen Marianne vielleicht? Oder eines Mannes, der sie auf dem Grundstück zurückerwartete? Oder hatte er sich einfach nur getäuscht?
Nachdenklich schlich Pielkötter die kleine Anhöhe zu der Villa hoch, flankiert von Marianne und der Frau. Bevor sie den Schienenstrang überquerten, entdeckte er das Schild, das ein Betreten der Gleise verbot. Das war ihm jedoch herzlich egal. Soviel er wusste, verkehrte hier sowieso nur noch einmal im Jahr ein histo rischer Zug.
Bis zu dem offenen Gartentor waren es noch einige Meter, und er legte zur Vorsicht lieber eine kleine Pause ein. Neugierig tastete er nach seinem Puls. Nicht gerade normal, aber nicht mehr bedrohlich, schätzte er seine körperliche Verfassung ein.
»Hübsches Fleckchen Erde haben Sie sich ausgesucht«, erklärte Pielkötter, weil er plötzlich das dringende Bedürfnis verspürte, von seinem Schwächeanfall abzulenken. Tatsächlich fühlte er sich nun wieder in der Lage, halbwegs normal zu gehen und seine Umgebung richtig wahrzunehmen, nur die Frau irritierte ihn genauso wie zuvor.
Die Frau reagierte nicht. Als sie den Garten betraten, taxierte Pielkötter die Rückseite der noblen Villa. Baustil wie Anstrich erinnerten ihn an die Toskana. Verstohlen betrachtete er dann wieder das Profil der Frau mit den hohen Wangenknochen und der kleinen Nase. Warum hatte sie sich ihnen bisher nicht vorge stellt? Wollte sie ihn bewusst darüber im Unklaren lassen, dass sie Inken war?
»Willibald, jetzt siehst du schon viel besser aus«, erklärte Marianne, während sie den gepflegten Garten durchquerten.
Auf der
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