Gefährliches Geheimnis
über den tragischen Tod von Mr. Pendreighs Tochter, Elissa von Leibnitz, informiert, die in dieser Stadt so etwas wie eine Heldin war.« Er war äußerst zufrieden, an dem hochroten Gesicht des Mannes zu sehen, dass dieser das nicht wusste.
»Natürlich«, sagte der Adjutant nüchtern. »Bitte übermitteln Sie der Familie mein Beileid.«
»Selbstverständlich«, murmelte Monk, nahm seinen Koffer und trat hinaus in die kühle Nacht, wo der scharfe Ostwind ihm wie eine Ohrfeige ins Gesicht schlug.
Er war früh aufgestanden, hatte gefrühstückt und wartete in dem prächtigen Marmorfoyer des Hotels bereits ungeduldig, als ein blonder Jüngling von kaum mehr als vierzehn oder fünfzehn Jahren auf ihn zukam. Er war schlank, und sein Gesicht sah frisch aus, was möglicher- weise dem Wetter draußen geschuldet war. Er wirkte eher wie ein Schuljunge denn wie ein Angestellter oder Laufbursche.
»Mr. Monk?«, fragte er mit einem gewissen Eifer, der Monks Eindruck sofort bestätigte. Er war wahrscheinlich von der Botschaft geschickt worden, um ihm zu sagen, dass sein Vater oder sein Bruder Monk am Nachmittag oder, was noch schlimmer wäre, am nächsten Tag zur Verfügung stehen würde.
Monk war ziemlich kurz angebunden. »Ja? Haben Sie eine Nachricht für mich?«
»Nicht ganz, Sir.« Seine blauen Augen blitzten, aber er bewahrte die Selbstbeherrschung. »Mein Name ist Ferdinand Gerhardt, Sir. Der britische Botschafter ist mein Onkel. Ich glaube, Sie brauchen jemanden, der Sie in Wien herumführt und bei Gelegenheit für Sie dolmetscht. Es freut mich, Ihnen meine Dienste anzubieten.« Er stand still und höflich da, eine seltsame Mischung aus einem englischen Schuljungen und einem jungen österreichischen Aristokra- ten. Dass er nicht die Hacken zusammenschlug, war alles.
Monk war wütend. Sie hatten ihm ein Kind geschickt, als hätte er den Wunsch, sich eine Woche die Zeit zu vertreiben und sich die Stadt anzuschauen. Es wäre unverzeihlich, grob zu ihm zu sein, aber er konnte weder
Zeit, noch Callandras Geld mit Müßiggang vergeuden.
»Ich bin mir nicht sicher, inwieweit man Sie informiert hat«, sagte er unwillig. »Aber ich bin nicht hier, um Ferien zu machen. In London wurde eine Frau umgebracht, und ich suche hier in Wien nach Informationen über ihre Vergangenheit und nach Freunden von ihr, die mich möglicherweise zur Wahrheit darüber führen können, was passiert ist. Wenn mir das nicht gelingt, wird ein unschuldiger Mann gehängt werden, und zwar bald.«
Der Junge machte große Augen, gab sich aber Mühe, eine würdevolle Ruhe zu bewahren. »Das tut mir sehr Leid, Sir. Das klingt nach einer schrecklichen Sache. Wo möchten Sie anfangen?«
»Wie alt sind Sie?«, fragte Monk und versuchte, seine wachsende Verärgerung und Verzweiflung zu verbergen.
Ein paar hübsche Frauen gingen an ihnen vorbei und warfen ihnen neugierige Blicke zu.
Ferdinand stand kerzengerade da. »Fünfzehn, Sir«, sagte er leise. »Aber ich spreche ausgezeichnet Englisch. Ich kann alles übersetzen, was Sie wünschen. Und ich kenne Wien sehr gut.« Seine Wangen hatten sich mit einem rosafarbenen Hauch überzogen.
Monk hatte keine Erinnerung daran, wie es war, fünfzehn zu sein. Er war in einer peinlichen Lage und wütend, und er hatte keine Ahnung, wie er anfangen sollte. »Die Ereignisse, die ich untersuchen muss, haben stattgefunden, als Sie zwei Jahre alt waren!«, sagte er mit zusammen- gebissenen Zähnen. »Was Ihre Fähigkeiten beträchtlich einschränkt, ganz egal, wie ausgezeichnet Ihr Englisch ist!«
Auch Ferdinand war verlegen, aber er gab nicht so leicht auf. Man hatte ihm die Aufgabe eines Erwachsenen übertragen, und er hatte vor, sie ehrenvoll zu erledigen. Er wandte den Blick nicht von Monk ab. »In welchem Jahr
genau, Sir?«
»1848«, erwiderte Monk. »Ich nehme an, Sie haben in der Schule davon gehört.« Es war keine Frage, sondern vielmehr eine bissige Bemerkung.
»Im Grunde nicht sehr viel«, gab Ferdinand mit einem leicht verkniffenen Zug um den Mund zu. »Jeder sagt etwas anderes. Ich würde unheimlich gerne die Wahrheit kennen! Oder zumindest mehr darüber erfahren.« Er warf einen Blick durch das marmorverkleidete Hotelfoyer. Eine kleine Gruppe elegant gekleideter Gentlemen war hereingekommen und unterhielt sich. Zwei Damen saßen auf weich gepolsterten Sesseln und tauschten Klatsch aus, wobei sie sich leicht vorbeugten, um den Abstand, den ihre bauschigen Röcke nötig machten, zu
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