Gefährliches Geheimnis
sich herausstellt, dass Dr. Beck schuldig ist, und im Augenblick deutet alles darauf hin.« Er wischte sich die Genugtuung aus dem Gesicht und zog die Stirn in angemessene Falten. »Natürlich müssen wir hoffen, dass dem nicht so ist. Aber wenn doch, Lady Callandra, dann müssen wir, dem Krankenhaus zuliebe, dem unsere oberste Verantwortung gilt – ungeachtet von persönlichem Schmerz oder Loyalität, die wir gerne einlösen würden –, sehr klug vorgehen.«
»Genau darum geht es mir, Mr. Thorpe.« Sie erstickte fast an den Worten, aber sie sprach sie ruhig aus, als meinte sie es ernst. »Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um den guten Ruf des Krankenhauses zu wahren, was, wie Sie sagen, wichtiger ist als unsere persönlichen Neigungen.« Sie sagte nicht »Abneigungen« und auch nicht
»Eifersucht«. »Wir müssen jederzeit genau informiert sein, welches die Beweise sind, und alles tun, um dafür zu sorgen, dass wir auf die bestmögliche Art und Weise darauf reagieren können – um unseres guten Rufes willen.«
Seine Miene verriet deutlich, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie sprach; und die Möglichkeit, eine falsche Entscheidung zu treffen, machte ihn ausgesprochen unsicher. »Ja … ja, natürlich … wir müssen … das Richtige tun«, sagte er unbeholfen. »Wir möchten nicht missverstanden werden.«
Sie lächelte ihm in sein verwirrtes Gesicht, als hätte er sich vollkommen klar ausgedrückt. »Ich weiß, dass Sie unter diesen entsetzlichen Umständen sehr beschäftigt sind, Entscheidungen treffen und weitere Ärzte befragen müssen. Möchten Sie, dass ich für den Krankenhaus- vorstand an dem Prozess teilnehme und Sie auf dem Laufenden halte?«
Sie spürte, dass ihr Herz wie wild klopfte, während die Sekunden verstrichen und er darüber nachdachte, welche Auswirkungen seine Antwort haben mochten. Was wollte sie? Was war sicher? Konnte er ihr vertrauen? Der gute Ruf des Krankenhauses war unauflöslich mit seinem eigenen Ruf verknüpft.
Sie wagte nicht, weiter in ihn zu dringen.
»Also …« Er atmete langsam aus, sah sie an und versuchte, dahinterzukommen, was sie insgeheim vorhatte.
»Ich würde natürlich nicht für das Krankenhaus sprechen«, sagte sie und hoffte, dass ihre Worte nicht allzu unterwürfig klangen.
Ob ihre Demut ihm verdächtig vorkam? »Außer das, was Sie mir auftragen. Ich denke, äußerste Umsicht ist im Augenblick das Beste.« Falls Kristians Freiheit oder sein Leben auf des Messers Schneide stand, hatte sie nicht vor, dieses Versprechen zu halten, aber darüber machte sie sich im Augenblick keine Gedanken.
»Ja, ich … ich glaube, es wäre klug, wenn ich so umfassend wie möglich informiert wäre«, gab er ihr vorsichtig Recht. »Wenn Sie mir berichteten, würde ich viel Zeit sparen. Gewarnt sein heißt gewappnet sein. Vielen Dank, Lady Callandra. Äußerst pflichtgetreu von Ihnen.« Er tat, als wollte er sich erheben, um anzudeuten, dass ihr Gespräch beendet war.
Sie ging auf seinen Wink ein und stand auf, damit es nicht
so wirkte, als hätte er sie gedrängt, und sah Befriedigung in seinem Gesicht aufleuchten. In jeder anderen Situation hätte sie sich noch einmal hingesetzt, nur um ihn zu ärgern. Jetzt war sie begierig zu entkommen, da sie erreicht hatte, was sie wollte. »Dann will ich Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen, Mr. Thorpe«, sagte sie.
»Guten Tag.« Sie ging nach draußen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Wenn sie zu höflich war, würde er noch einmal darüber nachdenken und es sich womöglich anders überlegen, Callandra war sich nicht sicher, ob sie mit Hester zum Gericht gehen wollte oder lieber allein. Sie glaubte, dass sie im Allgemeinen ihre Gefühle ganz gut im Griff hatte, aber sie gab sich nicht der Illusion hin, den Aufruhr in ihrem Innern vor Hester verbergen zu können. Aber es wäre äußerst schwierig, eine Ausrede zu finden, um nicht zusammen hinzugehen. Und ob sie es wünschte oder nicht, womöglich brauchten sie einander, bevor die Sache ausgestanden war.
Also saßen Callandra und Hester nebeneinander im Gericht, als der Prozess eröffnet wurde und die beiden Hauptfiguren sich gegenübertraten. Pendreigh machte allein durch seine Gegenwart Eindruck, noch bevor er das erste Wort gesagt hatte. Mit seiner Größe und seiner eleganten Erscheinung war er eine äußerst eindrucksvolle Gestalt. Die Perücke verdeckte weitgehend seine hellen Haare, aber das Licht brach sich in ein paar goldgelben Strähnen. Auf
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