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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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fliehen konnten, lange bevor man sie gesucht hätte«, fuhr er fort. »Sie glaubte, Hanna würde sich einschüchtern lassen, würde nur verletzt werden, nicht aber getötet. Ich glaube nicht, dass sie wollte, dass jemand umgebracht wurde – Hanna sollte nur dem Druck nachgeben … gedemütigt werden.«
    Ferdi starrte ihn an, plötzlich traten Tränen in seine Augen und liefen ihm über die Wangen. Er suchte nach Worten und fand keine.
    »Wir alle tun Böses«, sagte Monk langsam und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Sie mag es bereut haben oder es unmöglich gefunden haben zu leben, außer unter großen Schmerzen. Es scheint, als sei ihr hinterher kein Risiko zu groß gewesen, kein Einsatz zu gefährlich. Wir können nicht sagen, ob es Ruhm war, was sie suchte, oder Vergebung … oder einfach einen Ausweg.«
    »Was haben Sie vor?«, fragte Ferdi flüsternd.
    »Meinen Kaffee austrinken«, antwortete Monk. »Dann gehe ich Hanna Jakobs Familie besuchen. Vater Geissner sagt, sie leben irgendwo in der Leopoldstadt, er glaubt, in der Heinestraße.«
    Ferdi richtete sich auf. »Das dürfte nicht allzu schwierig sein. Zumindest wissen wir, wo wir anfangen müssen.«
    Monk hatte bereits darüber nachgedacht, ob er, sobald sie die Adresse herausgefunden hatten, einen Brief schicken sollte, um sich vorzustellen, aber er war schon zehn Tage in Wien und hatte keine Ahnung, was inzwischen in London passiert war. Er konnte sich keine weiteren Verzögerungen leisten. Außerdem hätte Herr Jakob dann die Gelegenheit, sich zu weigern, ihn zu empfangen, und auch dass konnte Monk sich nicht leisten.
    Er trank den letzten Schluck Kaffee und stand auf. Ferdi ließ seinen stehen, erhob sich ebenfalls und wandte sich in Richtung Tür.
    Sie brauchten überraschend lange, um die Familie Jakob aufzuspüren. Sie waren umgezogen, und es war Nach- mittag – die Laternenanzünder waren schon in den Straßen unterwegs, die Lichter flackerten wie ein Band mit Juwelen in der stürmischen Dunkelheit –, als sie endlich das richtige Haus in der Malzgasse gefunden hatten.
    Das Haus selbst war ein unauffälliges Gebäude in einer Gegend mit einander ähnlichen, mehrstöckigen Wohn- häusern. Ein Dienstmädchen in gepflegter Dienstkleidung öffnete ihnen die Tür, und Monk hielt die kleine Ansprache, die er sich bereits zurechtgelegt hatte. Mittels Ferdi sagte er ihr, er sei ein Freund von jemandem, der mit der Tochter des Hauses, Hanna, bei den Aufständen vor dreizehn Jahren gekämpft hatte und dessen Bewunderung für sie sein ganzes Leben verändert hatte. Da Monk in Wien sei, würde er gerne einen kurzen Besuch abstatten und Grüße überbringen und wenn möglich Nachrichten, wie es ihnen gehe, mit nach London nehmen. Da er kein Deutsch spreche, habe er einen jungen Freund mitgebracht, der für ihn dolmetschte. Er hoffte, er klang nicht so steif, wie er sich fühlte.
    Das Dienstmädchen sah ein wenig verdutzt aus, als wären sie zu einer unpassenden Zeit gekommen, aber sie wies die beiden nicht ab. Monk fand halb fünf an einem Werktagnachmittag eine schickliche Zeit für einen Besuch. In London war es das jedenfalls. Es war die Stunde, in der Frauen Besuche empfingen, und Monk ging davon aus, dass Hannas Mutter Kristian genauer beobachtet und mehr von der Beziehung zwischen den Menschen mitbekommen hatte als ihr Vater. Vielleicht lud sie ihn ein zu bleiben, bis Herr Jakob nach Hause kam. Es war viel zu früh, um
    jemanden beim Abendessen zu stören.
    Monk sah sich in dem Raum um, in den man sie gebeten hatte, um zu warten. Er war warm und behaglich, mit ausgezeichnetem Geschmack eingerichtet, vielleicht ein wenig altmodisch, aber die Möbel waren von bester Qualität, und sein Polizistenauge schätzte den Wert der Miniaturen an den Wänden höher ein als in den meisten Privathäusern, selbst den wohlhabenden. Die größeren Bilder über dem Kamin fand er sehr schön, aber von geringerem Wert, sowohl künstlerisch, als auch materiell.
    Das Dienstmädchen kehrte zurück und sagte, Herr und Frau Jakob würden sie empfangen, wenn sie ihr bitte folgen wollten.
    Als Monk in den Salon trat, wurde ihm plötzlich deutlich bewusst, dass er in einer anderen Kultur war. Dies war nicht Österreich, wie er es gesehen hatte – es war etwas Vertrautes und sehr Altes. Er warf einen Blick auf Ferdi und sah das Gleiche auch in dessen Gesicht, Überraschung und ein wenig Unbehagen. Es war ein zeitloser Raum für die Familie, nicht für Fremde. Zwei schöne,

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