Gefährliches Geheimnis
Zierrat und Möbel aus ihrem Heim … alles. Bei Elissa war es so.«
Allmählich dämmerte Callandra, wie entsetzlich das Ganze war. Vielleicht wurde ihr jetzt klar, warum sie nie in Kristians Haus eingeladen worden war. Sie musste sich eingestehen, dass sie über einen großen Bereich seines Lebens – den Schmerz, die Peinlichkeit, die Angst vor Entdeckung und Ruin – nicht das Geringste wusste. Dies alles machte seine Existenz aus, jeden Tag, und sie hatte nichts davon geahnt, es nicht geteilt, weil er nicht zugelassen hatte, dass sie es erfuhr.
»Es tut mir Leid«, sagte Hester freundlich. »Wenn wir Kristian helfen wollen, können wir nicht so tun, als wüssten wir nichts.«
»Könnte es jemand gewesen sein, dem sie Geld schuldete …«, setzte Callandra an.
»Natürlich«, stimmte Hester ihr zu eilig zu.
Callandras Züge verhärteten sich zu blankem Elend.
»Kristian hätte bezahlt. Du hast gesagt, alles war weg, zumindest hast du das angedeutet. Ruinierte Spieler begehen Selbstmord. Ich habe Soldaten gekannt, die das getan haben. Bringen Gläubiger sie wirklich um? Und was ist mit der anderen armen Frau?« Sie zitterte. »Sie hat doch sicher nicht auch gespielt?«
»Möglicherweise galt der Mordanschlag auch ihr.« Hester versuchte, sich selbst ebenso zu überzeugen wie Callandra. »Die Polizei versucht so viel wie möglich über sie herauszufinden.«
»Vielleicht war es ein Streit unter Liebenden, der aus dem Ruder lief?« Callandra klang nicht überzeugt. »Was
ist mit dem Künstler?«
»Vielleicht.«
»Also, es nützt nichts, hier herumzustehen.« Callandra zwang sich zu einem Lächeln. »Wie geht es der Frau mit dem Haarknäuel? Ich habe gedacht, so was gäbe es nur bei Katzen! Bei ihnen ist es ja verständlich, aber ich kann mir nichts Widerlicheres vorstellen, als Haare zu essen!«
»Die Wunde heilt gut. Ich weiß nicht, was wir tun können, um ihr so viel Vertrauen zu sich selbst zu geben, dass sie auch innerlich heilt.«
»Arbeit«, antwortete Callandra ohne Zögern. »Wenn sie hier bleiben würde, fände sie leicht so viel zu tun, dass sie zu beschäftigt wäre, um über sich selbst nachzudenken.«
»Ich bezweifle, dass ihre Mutter ihr das erlaubt«, meinte Hester. »Krankenhäuser haben keinen allzu guten Ruf für junge Damen aus vornehmem Hause.« Sie lächelte schief, während sie das sagte, aber es lag zu viel Wahrheit darin, um es zu ignorieren.
»Ich rede mit ihr«, versprach Callandra.
»Ich glaube, es würde ihr gefallen, aber sie hätte nie den
Mut …«
»Mit der Mutter!«, ergänzte Callandra. »Ich kann gut mit Drachen umgehen, glaub mir! Ich weiß genau, wo ihre wunden Punkte sind.«
Diesmal kam Hesters Lächeln von ganzem Herzen. »Ich halte dir den Schild!«, versprach sie.
Am folgenden Tag fand die Beerdigung von Sarah Mackeson statt. Monk fragte sich, ob außer dem Priester und den Totengräbern jemand daran teilnahm. Es gab keine Familie, die hinterher einen kunstvollen Empfang abhalten würde, niemand, der einen Leichenwagen und vier Pferde
mit schwarzen Federn bezahlte, oder professionelle Trauernde, die Federn trugen und schweigend und mit einem Gesicht wie eine Maske der Trauer dastanden.
Jemand sollte dabei sein. Er würde hingehen. Egal, wie notwendig es auch war, die Wahrheit herauszufinden. Er würde Kristians Weg am Abend der Morde folgen und jede Kleinigkeit überprüfen, mit jedem Hausierer, Ladenbesitzer und Straßenhändler sprechen, auf den er traf, aber er würde regelmäßig auf seine Uhr schauen und sich Zeit für Sarahs Beerdigung nehmen.
Er verließ das Haus um sieben Uhr. Es war ein trüber, ruhiger, ziemlich kalter Morgen, aber der Nebel hatte sich gelichtet, zumindest fürs Erste. Man hätte glauben können, der Winter stehe vor der Tür, auch wenn noch Blätter an den Bäumen waren. Jeden Tag wurde es ein wenig später hell, und die Dämmerung brach früher herein.
Für den kurzen Weg zur Acton Street lohnte es sich kaum, nach einer Droschke Ausschau zu halten, und während des Gehens konnte er darüber nachdenken, was er tun würde. Wenn er Kristians Weg genau verfolgte, bestand die Möglichkeit, dass er beweisen konnte, dass dieser nicht in Allardyces Atelier gewesen sein konnte. Dann erhob sich nicht die Frage nach seiner Schuld. Runcorns Männer hatten bereits versucht, dies nachzuweisen, aber es war ihnen nicht gelungen.
Monk ging an einem Zeitungsverkäufer vorbei, der ausrief, dass die Regierung in Washington einen Kreuzzug
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