Gefährliches Geheimnis
war sie zum Glücksspiel in die Swinton Street gegangen? Er sollte auf jeden Fall mehr über ihre Spielleidenschaft in Erfahrung bringen. Er hatte das, was Kristian Hester erzählt hatte, geglaubt. Wenn er Kristian aber für fähig hielt, seine Frau umzubringen, wieso ging er dann davon aus, dass seine Aussagen der Wahrheit entsprachen, nur weil sie ihm ein Motiv für ihren Tod lieferten? Es gab womöglich Dinge, die er nicht wusste oder in denen er sich täuschte. Er konnte lügen, um etwas anderes zu verbergen.
Es war nicht schwierig, die Spielhalle zu finden. Eine einfache, mit einer selbstsicheren Ungeduld und einem gewissen Glitzern in den Augen geäußerte Frage bescherte ihm die Auskunft, dass es von der Gray’s Inn Road aus das fünfte Haus auf der Nordseite der Straße war, gut verborgen hinter einem Metzgerladen.
Monk ging mit forschem Schritt, trat die flache Stufe hinauf, durchquerte den Laden, der nur mit ein paar erbärmlichen Würstchen bestückt war, und klopfte an die Tür dahinter. Sie wurde von einem breitschultrigen Mann mit einer übel gebrochenen Nase und weicher, leicht lispelnder Stimme geöffnet.
»Ja?«, fragte dieser vorsichtig.
»Man hat mir gesagt, dass ein Mann mit ein bisschen Geld hier mehr Spaß finden kann als in einem Varietetheater oder in der Kneipe um die Ecke«, sagte Monk. »Eine Chance, zu gewinnen … oder zu verlieren … ein bisschen Aufregung.«
»Und wer hat Ihnen das erzählt?« Der Mann sah ihn unschlüssig an, aber in seiner Miene war ein Funke Interesse aufgeleuchtet.
»Eine mir bekannte Dame, die ab und zu ein wenig Aufregung in ihrem Leben genießt. Ein Gentleman nennt keine Namen.«
Der Mann lächelte, wobei er einen abgebrochenen Schneidezahn entblößte, und wollte wissen, welche Farbe sein Geld hätte.
»Golden – gleiche Farbe wie das von jedem anderen!«, fuhr Monk ihn an. »Was ist los? Gibt’s hier nur was für Silber, oder was? Oder gar für Kupfer?«
»Kein Grund, gleich unverschämt zu werden«, sagte der Mann geduldig. »Nur ein paar Ladies und Gentlemen, die einen angenehmen Nachmittag verbringen. Machen nie- mandem Scherereien. Aber ich glaube, ich möchte doch den Namen Ihrer Freundin wissen, Gentleman hin oder her.«
»Unglücklicherweise ist ihr ein … Unglück zugestoßen«, meinte Monk.
»Ein finanzielles, was?«, fragte der Mann mit einem
Seufzen.
»Davon hat sie einige erlitten, aber so ist das Leben«, meinte Monk lakonisch. »Dieses hier war schlimmer. Sie wurde ermordet.«
Die Züge des Mannes verhärteten sich um Mund und Kie- fer. »Sehr traurig. Aber das hat nichts mit uns hier zu tun.«
Die Tatsache, dass er dies bestritt, ließ Monk plötzlich frösteln, aber er wusste auch, dass ein Mörder, der so viel polizeiliche Aufmerksamkeit auf sich zog, das Letzte war, was ein solches Haus brauchen konnte. Sie würden zu- machen und woanders neu eröffnen müssen. Das ver- schlang Zeit und Geld. Sie mussten das Geschäft aufgeben, und während sie geschlossen hatten, gingen ihre Kunden zur Konkurrenz und kamen womöglich nicht zurück.
Monk hätte gerne geglaubt, dass sie an dem Mord an
Elissa schuld wären, aber es ergab keinen Sinn. Der Mann wartete auf eine Antwort.
Monk zuckte langsam die Schultern. Es kostete ihn einige Anstrengung, denn die Gesichter zweier toten Frauen standen ihm vor Augen. »Geht mich nichts an«, sagte er gleichgültig. »Wenn man seine Schulden nicht zahlen kann, sollte man nicht spielen. Ein Jammer um sie, aber das Leben geht weiter … zumindest für uns.«
Der Mann lachte herzlich, aber seine Augen blieben kalt.
»Sie haben die richtige Einstellung«, sagte er mit einem
Nicken.
»Und wie lange muss ich noch hier stehen und über die Philosophie von Schulden diskutieren?«, fragte Monk, und erwiderte den Blick seines Gegenübers.
»Bis ich beschließe, dass Sie rein dürfen!«, fuhr der
Mann ihn an.
»Und aus welchem Grund lassen Sie mich nicht ein?«, erkundigte Monk sich. Er überlegte, ob Kristian je hier gewesen war. Vielleicht sollte Runcorn den Türsteher danach fragen, mit dem Gewicht der polizeilichen Autorität im Rücken. Vielleicht konnte aber auch nichts diesen Mann dazu bewegen, die Wahrheit zu sagen. Er würde instinktiv lügen, um sich aus dem Mordfall herauszuhalten.
»Vielleicht sind Sie auch ein schlechter Schuldner«, sagte der Mann scheinheilig.
»Ich könnte auch ein richtiger Gewinner sein«, meinte Monk. »Haben Sie Angst davor? Anderen zuzuschauen, aber nicht
Weitere Kostenlose Bücher