Gefaehrliches Schweigen
wollte er sich vergewissern, dass wir tatsächlich gingen.
Ich zupfte Linus am Ärmel und begann auf die Hauptstraße zuzugehen, aber als wir außer Sichtweite waren, blieb ich stehen.
Im Schutz der Dunkelheit konnten wir Simons Haus im Auge behalten. Ich sah ihn am Fenster, aber er schaute nicht mehr raus, sondern zog sich gerade einen Pulli über.
„Er ist nach draußen unterwegs“, flüsterte ich.
„Und?“
„Wir warten.“
Der Abendhimmel war wolkenlos und voller Sterne. Der Halbmond leuchtete mit eisig kaltem Schein.
Linus und ich warteten darauf, dass Simon herauskam, aber er ließ sich so viel Zeit, dass ich allmählich die Hoffnung aufgab.
Ich hüpfte auf und ab und schlug zum Aufwärmen die Arme um mich. Plötzlich erblickte ich zwei Häuser weiter etwas Interessantes. Das Haus an sich war nicht besonders auffällig, ein kleines einstöckiges Haus mit hellem Putz und einem Kellergeschoss. Aber in der Garagenauffahrt stand ein goldlackierter BMW .
Ich schlich näher hin, um besser zu sehen. Helle Ledersitze, glänzendes Armaturenbrett. Was für ein Schlitten! Der Schlüssel steckte im Zündschloss. In dieser Gegend vertraute man seinen Mitmenschen.
Ich befühlte die Motorhaube. Sie war warm.
Linus stand noch auf dem Gehweg.
„Was machst du eigentlich?“
„Ich genieße. Mann, das ist vielleicht ein scharfer Wagen!“
Er stöhnte auf.
„Wie lange sollen wir noch warten?“
„Äh …“
Ich unterbrach mich, weil ich in der Küche des hell verputzten Hauses eine vertraute Gestalt erblickte.
Jimmy!
Ich lief zum Briefkasten und schaute nach dem Namen.
Steffens.
Jimmy war ein Nachbar von Simon!
Ich hatte erwartet, einen Brutalo wie ihn in einem vollgesprayten Hochhaus oder in einer luxuriösen Gangstervilla vorzufinden. Aber nicht in einem bescheidenen kleinen Einfamilienhaus.
Instinktiv verzog ich mich hinter eine dichte Tanne im Nachbargarten und zerrte Linus hinter mir her. Wir schafften es gerade noch rechtzeitig, uns zu verstecken, bevor die Tür aufging. Die Lampe über der Haustreppe beleuchtete einen Typen mit nach hinten gegeltem schwarzen Haar. Er war älter als Jimmy und trug modische Klamotten – schwarze Hose, weißes Hemd und schwarzes Ledersakko.
Mit ein paar raschen Schritten war er beim Auto. Ohne sich umzusehen, stieg er ein. Die Tür schlug zu, der Motor schnurrte los und die Lichtkegel der Scheinwerfer strichen genau an der Stelle über die Straße, wo wir eben erst gestanden hatten.
Nachdem die roten Rücklichter hinter der Kuppe verschwunden waren, kam Jimmy heraus, von Stoffe begleitet. Die beiden waren identisch gekleidet – dunkle Hosen und Steppjacken. Sie gingen zu Simons Haus, und als hätte er nur darauf gewartet, trat Simon vor die Tür.
Simon verkehrte mit Jimmy und Stoffe!
Die Puzzleteilchen fügten sich ineinander. Jimmy und Simon waren Nachbarn von Frau Asp. Sie mussten diejenigen gewesen sein, die Frau Asps Tannenhecke angezündet hatten. Garantiert hatte Frau Asp die beiden irgendwann angemeckert, genau wie mich, und da hatten sie sich rächen wollen.
Jetzt hielten die drei auf die Hauptstraße zu. Linus und ich blieben hinter der Tanne, bis sie vorbeigezogen waren, dann folgten wir ihnen in sicherem Abstand, durch menschenleere Straßen. Alle einigermaßen vernünftigen Leute hockten im Warmen vor der Glotze, anstatt draußen in der Kälte umherzuschleichen.
Als die drei auf die Hauptstraße einbogen, wurden sie plötzlich von einer Schar kleinerer Jungs umringt, alle in schwarzen Jeans und Kapuzenjacken.
Ich zog Linus schnell mit mir in den nächstgelegenen Garten, wo wir hinter einem Geräteschuppen Schutz fanden. Jetzt würde es eine Rauferei geben, davon war ich felsenfest überzeugt, aber als ich um die Schuppenecke linste, hatten die Jungs Jimmy, Stoffe und Simon zurückgelassen und waren zur nächsten Bushaltestelle weitergezogen. Dort steige ich immer aus, wenn ich zur Schule will. Im Wartehäuschen standen ein älteres Paar und ein ungefähr zwanzigjähriger junger Mann. Das hinderte die Jungs nicht im Mindesten. Zwei von ihnen begannen, das Wartehäuschen mit Fußtritten zu traktieren. Das Glas zersprang zu einem Spinnennetzmuster und wölbte sich nach außen.
Das Rentnerpaar schaute unangenehm berührt in die andere Richtung.
Die Jungs traten weiter gegen das Glas, bis einer von ihnen einen Volltreffer landete. An der Querseite zersplitterte die Scheibe, blieb jedoch im Rahmen hängen. Das alte Paar entfernte sich rasch,
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