Gefährliches Spiel der Versuchung
über die Klinge fuhr. »Nein?« Das Wort klang wie ein sanftes Echo, halb fragend, halb Behauptung, bevor sie eilig fragte: »Ich verstehe die Dringlichkeit und die Bedeutung des Auftrags sehr gut. Es wird weder Irrtümer noch Fehlkalkulationen geben. Sie können auf mich zählen, Sir, so lange, bis wir am Ende des Wegs angelangt sind.«
»Und doch haben Sie anfangs gezögert. Warum?« Der Marquis mochte einen sanftmütigen Eindruck machen; wenn es um das Geschäft ging, war er unerbittlich.
Shannon atmete tief aus, als sie ihr Schwert sorgsam in die Scheide steckte und es im Reisekoffer verstaute. Einerseits hätte sie am liebsten Orlovs Temperament angeprangert; andererseits würde sie damit nur ein schlechtes Licht auf ihren eigenen unsteten Charakter werfen. Und doch war es unmöglich, ihm zu antworten, ohne wenigstens ein Körnchen Wahrheit unterzumengen.
»Es ist nur, dass ich befürchte, Orlov könnte mehr Ärger machen, als er es wert ist.«
Das Dämmerlicht konnte nicht verbergen, dass Lynsley die Stirn in Falten legte. »Yussapov hat mich seines Mutes und seiner Klugheit versichert.«
»Ich habe keinerlei Zweifel, dass der Mann ausgezeichnete Fähigkeiten besitzt, Sir. Aber wir wissen auch, dass er sich wie ein Wolf benimmt, sobald er sich in der Nähe von Frauen aufhält. Solche Kavaliersdelikte könnten sich als gefährliche Störung erweisen.«
»Für wen?«, hakte Lynsley mit weicher Stimme nach.
Shannon tastete nach dem andalusischen Dolch, den der Russe ihr zurückgegeben hatte. Die Wahrheit war scharf wie doppelt geschliffener Stahl und schnitt ebenfalls nach zwei Seiten. Denn was das sündige Verlangen betraf, so war sie nicht so unschuldig, wie sie es zu sein wünschte. »Wenn Prinz Yussapov und Sie auf Orlovs Fähigkeit vertrauen, seine Impulse zu beherrschen, denn werde ich mich Ihrem Urteil vertrauensvoll beugen.«
Nach einem Moment antwortete er: »Weder der Prinz noch ich würden irgendeine Mission einem Agenten übergeben, der nicht unser vollstes Vertrauen genießt, Shannon.« Die Fältchen in seinen Augenwinkeln wirkten im wechselnden Licht eine Spur tiefer, dunkler. »Es steht zu viel auf dem Spiel. Wenn Sie also tief im Herzen doch einen Vorbehalt gegen die Arbeit mit ihm hegen, dann möchte ich, dass Sie ihn jetzt äußern. Andernfalls erwarte ich, dass Sie Orlov so vertrauen, wie Sie auch einem Merlin vertrauen würden.«
War es nur Einbildung? Oder hatte er tatsächlich kurz innegehalten?
»Es sei denn, er stellt seine persönliche Untauglichkeit unter Beweis«, schloss Lynsley. »In einem solchen Fall müssten Sie ... improvisieren.«
»Ja, Sir.« Shannon wappnete sich innerlich, schleuderte die Waffe in hohem Bogen durch die Luft und fing sie an der Spitze auf. »Ich versichere Ihnen, dass die Ausbildung in der Academy mich befähigt hat, jedweden Schwierigkeiten ins Auge zu blicken. Ganz gleich, was kommt. Ich werde es nicht zulassen - um keinen Preis - dass unsere Aussichten auf Erfolg durch irgendetwas geschmälert werden.«
»Ausgezeichnet. Dann gute Reise!« Lynsley berührte ihre Schulter so federleicht, dass sie es vielleicht gar nicht bemerkt hätte, hätte sie nicht die Bewegung seiner Hand gesehen. »Möge es sich erweisen, dass Fortuna in der Tat eine Lady ist.«
»Oh, das ist sie, Sir. Und sie lässt die ihren niemals im Stich.«
Dieses E-Book wurde von der "Osiandersche Buchhandlung GmbH" generiert. ©2012
9. Kapitel
T rotz der Behauptung des Gegenteils hatte Shannon ihre Einwände gegen die Zusammenarbeit mit Orlov noch nicht ganz überwunden. Um aufrichtig zu sein: Während der unbehaglichen Reise in den Norden hatte sie sich oft gefragt, ob Lynsley insgeheim die Absicht hegte, sie für die Verfehlungen in der Vergangenheit so teuflisch zu strafen, wie es teuflischer kaum möglich war.
In diesem Fall hatte er sein Ziel erreicht. Schlimmer ging es nicht.
Bei dem Gedanken an die kommenden Tage verzog sie das Gesicht. Sie blinzelte durch den Nieselregen und bemerkte, dass die zerklüftete schottische Küste im Nebel auftauchte. Bis jetzt war sie noch nicht gezwungen gewesen, sich verstärkt auf Vertraulichkeiten mit dem Russen einzulassen. Es war eine raue Überfahrt gewesen; die aufgewühlte See und der böige Wind hatte sie beide in eine enge Kajüte verbannt.
Wo Shannon zu ihrer Bestürzung den größten Teil ihrer wachen Stunden damit verbracht hatte, sich über den verflixten Kerl den Kopf zu zerbrechen und über die Erniedrigungen, die sie
Weitere Kostenlose Bücher