Gefährliches Spiel der Versuchung
Besuch vielleicht zu aufdringlich wirken könnte, beschloss Orlov, seinen Worten eine frivolere Note zu verleihen. »Hätte ich es auf eine Heirat abgesehen, ganz gleich, ob des Geldes oder der Schönheit wegen, dann bräuchte ich den Blick nicht in die Ferne schweifen lassen.«
»Geben Sie acht mit Ihren Schmeicheleien, Mr. Oliver.« Die Lady wackelte mit dem knochigen Finger. »Ich könnte Ja sagen, und wo würden Sie dann landen?«
»Im siebten Himmel«, erwiderte er mit engelsgleicher Unschuld.
»Hmm!« Sosehr die Lady sich auch um eine strenge Miene bemühte, das Schnauben klang verdächtig nach einem Lachen. »Was Sie nicht sagen!«
Aus den Augenwinkeln stellte Orlov fest, dass Shannon dem Wortwechsel nur mit halbem Ohr zu lauschen schien. Den Blick hatte sie zum Alkoven gewandt, von dem aus man die mit Steinen umzäunte Terrasse draußen vor dem Fenster überblicken konnte. Der innere Bereich lag im Dunkeln, aber von einem früheren Erkundungsspaziergang wusste er, dass der schmale Zugang, der von innen verschlossen und verriegelt war, in einen kleinen Kräutergarten führte.
Shannon erhob sich plötzlich und verschwand ohne jede Erklärung im dunklen Flur.
»Pfui, Sir!« Lady Octavia nestelte an den Fransen ihres indisch gemusterten Schultertuchs herum. »Ich fürchte, mit Ihren Dummheiten haben Sie Miss Sloanes Gefühle verletzt.«
»Unter ihren schäbigen Kleidern ist Miss Sloane so robust wie Stahl. Außerdem hegt sie mir gegenüber keine zärtlichen Gefühle. Und selbst wenn es so wäre, dann ist sie sehr wohl in der Lage, ihr Herz in einem hitzigen Gefecht zu schützen.« Orlov hatte die Worte leichthin gesprochen. Aber seine Muskeln hatten sich angespannt, und er rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her. Er war bereit, beim geringsten Hinweis auf Ärger sofort aufzuspringen.
»Wirklich, Mr. Oliver, ich habe Miss Sloanes kleinen Dolch gesehen. Aber ich vermag mir nicht vorzustellen, dass sie damit eines der Schwerter abwehrt, die meine Vorväter zu Zeiten der Wikinger geführt haben.«
»Dann machen Sie sich auf eine gehörige Überraschung gefasst«, murmelte er und schlüpfte mit der Hand in den Mantel, um das verborgene Messer zu lösen.
»Die junge Frau ist ausgebildete Gouvernante und kein Totenkopfhusar!« Die Witwe seufzte. »Eine überaus fähige Gouvernante, soweit ich es zu beurteilen vermag. Die Sticknadel scheint allerdings die einzige Waffe zu sein, die sie regelmäßig in der Hand gehabt hat. Es ist also eher anzunehmen, dass sie gerade in aller Stille ein paar Tränen vergießt.«
Noch eher ist anzunehmen, dachte Orlov trocken, dass sie ihr Schultertuch abgeworfen hat und an den Mauern des Herrenhauses herumklettert, um zu prüfen, ob irgendwo Ärger im Anmarsch ist. Aber ein paar Sekunden später hatte die Vorstellung jede ironische Note verloren, und der Gedanke, sie könne D'Etienne allein gegenüberstehen, riss ihn aus dem Sessel.
»Ich sollte besser nach ihr sehen. Vielleicht braucht sie ein wenig ... Trost.« In der Tat, es wäre ein schwacher Trost, wenn es ihr gelänge, den Franzosen über seine erbarmungslose Klinge springen zu lassen.
Aber bevor er auch nur einen Schritt machen konnte, schlüpfte Shannon zurück in den Salon. »Bitte verzeihen Sie.« Der Schmutzstreifen auf ihrem Ärmel war nahezu unsichtbar, genau wie der Kratzer auf den Fingerknöcheln. »Ich habe plötzlich Zugluft verspürt und dachte, ich sollte besser prüfen, ob die Fenster auch überall ordentlich verschlossen sind. Sonst holen Sie sich noch eine Erkältung, Mylady.«
Orlov zog fragend die Brauen hoch.
»Und tatsächlich, der Riegel hatte sich gelockert. Ich habe ihn an seinen Platz zurückgeschoben und dafür gesorgt, dass auch sonst nichts verrutschen kann.« Sie schenkte Lady Octavia ein Lächeln, bevor sie ihm einen bedeutungsvollen Blick zuwarf. »Es ist nichts passiert. Aber wir sollten den Gärtner bitten, die Riegel und Angeln an den Fenstern zu straffen. Ich werde es mir notieren.«
»Wie überaus aufmerksam von Ihnen, Miss Sloane! Es scheint, als hätte mein Sohn nicht nur eine Gouvernante engagiert, sondern auch noch einen Schutzengel.«
»Es könnte sein, Mylady, dass Sie göttlichen Beistand brauchen, um sich vor meinen Annäherungsversuchen in Sicherheit zu bringen«, murmelte Orlov und versuchte, die Aufmerksamkeit der Witwe abzulenken, bevor sie die verräterischen Laubreste am Saum von Shannons Röcken entdeckte.
Shannon fing seinen Blick auf, während sie nach
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