Gefaehrliches Verlangen
die Leitung. Sie sind schwer.
»Marc?«
»Gib Leo nie wieder dein Telefon.«
Plötzlich überkommt mich eine tiefe Müdigkeit. »Marc, du machst aus einer Mücke einen Elefanten.«
»Geh schlafen. Wir sehen uns bald.«
»Wann? Morgen ist Heiligabend.«
»Du hast bis Vorstellungsbeginn um acht Uhr frei.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich deine Termine kenne.«
»Woher?«
»Es ist meine Aufgabe, mich um dich zu kümmern, Sophia. Glaubst du, ich könnte nicht herausfinden, wann du Probe und Vorstellung hast?«
»Doch, aber wie hast du das angestellt?«
»Eines meiner Teammitglieder ist Experte im Anzapfen von Computern.«
Ich seufze. »Du hättest mich einfach fragen können. Ich hätte dir alles gesagt, was du wissen willst.«
Marc lacht. »So wie deine Verabredung zum Abendessen mit Leo?«
»Das war ganz spontan. Aber auch davon hätte ich dir erzählt. Es war kein Geheimnis.« Ich lasse mich aufs Sofa fallen. »Ich bin zu müde für deine Eifersüchteleien, okay? Wir haben hier eine kleine familiäre Krise.«
»Was ist passiert?« Plötzlich liegt ein Anflug von Dringlichkeit in Marcs Stimme.
»Genoveva ist weg, und Dad braucht etwas Zuwendung.«
»Soll ich jemanden vorbeischicken? Rodney oder sonst jemanden, der im Haushalt hilft?«
»Nein, nein, Dad ist nicht gerade versessen darauf, fremde Leute im Haus zu haben, wenn es ihm schlecht geht. Er braucht seine Familie um sich.«
»Du bist wirklich eine gute Tochter.«
»Ich kümmere mich bloß um meinen Dad, das ist alles. Das würde jeder tun. Wie sehen deine Pläne für morgen aus?«
Pause. »Eigentlich wollte ich mit dir shoppen gehen. Aber wenn dich dein Vater braucht …«
»Shoppen?«
»Weihnachtsgeschenke.«
»Ich habe alle meine Geschenke schon zusammen. Seit Monaten. Ich erledige das lieber frühzeitig.« Und billiger ist es auch noch , füge ich im Geiste hinzu.
Marc lacht. »Perfekt durchorganisiert. Aber ich meinte nicht deine Geschenke, sondern wollte mit dir gemeinsam etwas für dich und deine Familie aussuchen.«
» O Marc. Das ist … süß von dir. Ehrlich. Aber du brauchst dir keine großen Umstände zu machen. Wir freuen uns schon darüber, Zeit miteinander zu verbringen. Und dass du Weihnachten hier mit mir verbringst, ist das allerschönste Geschenk für mich.«
»Ich würde nie mit leeren Händen bei euch auftauchen.«
»Das verstehe ich. Vermutlich würde es mir umgekehrt genauso gehen.« Ich zögere. »Aber wie willst du ein Geschenk für mich finden, wenn ich die ganze Zeit dabei bin?«
»Ganz einfach. Du suchst dir einfach das aus, was du dir wünschst.«
»Aber dann ist es ja keine Überraschung mehr.«
Marc lacht. »Stimmt. Ich habe völlig vergessen, dass du Überraschungen so liebst.«
»Genau.«
»Sie stellen mich gern vor Herausforderungen, stimmt’s, Miss Rose?«
»Das sagt ja der Richtige.«
»Na gut, also eine Überraschung.«
»Aber nichts zu Kostspieliges, okay? Ich konnte mir nur eine Kleinigkeit für dich leisten, also möchte ich auch nur etwas Kleines.«
»Ich will kein Geschenk von dir.«
»Wieso nicht?«
»Ich bin nicht so der Typ für Geschenke.«
»Aber ich möchte es gern. Es macht mich glücklich.«
Stille. »Und ich würde dich niemals davon abhalten, etwas zu tun, das dich glücklich macht.«
❧ 17
A m nächsten Morgen weckt mich Sammys Weinen ziemlich früh – ein verzweifeltes, herzzerreißendes Schluchzen, das mich augenblicklich aus den Federn springen lässt.
Auf dem Flur stolpere ich über Spielsachen und benutzte Handtücher. Sammy hat sich in seinem Bettchen hochgezogen und klammert sich weinend an den Gitterstäben fest.
»Sammy, Sammy«, säusele ich. »Warum weinst du denn so?« Seine molligen Händchen krallen sich in meinem Haar fest, als ich ihn hochhebe. Er kuschelt sich an meine Schulter und beruhigt sich augenblicklich.
»Sammy?« Dad kommt in Boxershorts und T -Shirt ins Zimmer gelaufen.
»Schon gut, Dad. Geh zurück ins Bett. Ich mache ihm sein Fläschchen.«
Dad reibt sich die Augen. »Sicher?«
»Ja, ja. Du siehst aus, als könntest du eine Extramütze voll Schlaf gebrauchen. Mach nur, ich komme schon zurecht.«
»Bist du ganz sicher?«
»Ganz sicher.«
»Na gut. Weck mich, wenn du etwas brauchst.«
»Ja, ja«, verspreche ich, wohl wissend, dass ich es ohnehin nicht tun werde.
Ich trete mit Sammy ans Fenster. Es ist noch dunkel draußen, doch die ersten Anzeichen der Morgendämmerung machen sich bemerkbar. »Sieh nur, bald geht die
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