Gefaehrliches Verlangen
getrennt zu sein«, sage ich.
»Ich weiß. Und es wird nicht leichter.«
Sammy regt sich. Ich wiege ihn sanft, bis er wieder einschläft.
»Aber selbst wenn wir uns heute nicht sehen, verbringen wir zumindest Weihnachten zusammen, auch wenn du vermutlich anderes gewohnt bist, als in einem winzigen Cottage in der Einöde zu sitzen.«
»Solange du bei mir bist, kann ich mir keinen schöneren Ort vorstellen.«
❧ 18
A ls ich aus meinem Zimmer trete, höre ich Dads Schnarchen auf dem Korridor. Ein Glück, er ist wieder eingeschlafen, das heißt, er kommt in der nächsten Zeit nicht nach unten und steht mir beim Putzen im Weg herum.
»Komm, Sammy.« Ich trage ihn die knarrende Treppe hinunter. »Du bekommst jetzt erst mal deine Milch.«
Allerdings muss ich feststellen, dass der Behälter mit dem Milchpulver verkrustet und voller Klümpchen ist. Und in der Spüle steht ein Fläschchen, das Dad offenbar vor dem Benutzen immer nur ausgespült hat.
Ich setze Sammy in seinen Hochstuhl, schrubbe das Fläschchen und sterilisiere es in einem Topf mit heißem Wasser, dann setze ich den Teekessel auf.
»Ein Wunder, dass du noch nicht krank geworden bist«, sage ich zu ihm, halte das Fläschchen zum Abkühlen unter den Kaltwasserhahn und gieße das Milchpulver mit warmem Wasser auf. »Aber Dad ist für diese Aufgaben einfach nicht geschaffen.«
Wie konnte Genoveva ihn mit Sammy alleinlassen? Ihr muss doch klar gewesen sein, dass er keine Ahnung hat, wie man ein Kleinkind versorgt.
Als ich Sammy aus dem Hochstuhl nehme, bemerke ich, dass überall Krümel an seinem Po kleben. Ich lege ihn in meine Armbeuge und gebe ihm sein Fläschchen, ehe ich mich nach einer frischen Windel umsehe.
In seinem Zimmer stehen nur leere Verpackungen herum, aber schließlich finde ich eine zerknüllte, aber saubere unter seinem Kinderwagen und wickle ihn.
Nachdem ich mir die Zähne ohne Zahnpasta geputzt und das Gesicht ohne Seife gewaschen habe, beschließe ich, als Erstes ein paar Einkäufe zu erledigen.
Da Sammy keinerlei saubere Kleidung mehr hat, ziehe ich ihm einen Skianzug mit einem Ketchupfleck an, setze ihn in den Kinderwagen und mache mich auf den Weg zum nächsten Laden.
Eine halbe Stunde später bin ich zurück, beladen mit einer Plastiktüte mit dem Allernötigsten: Bohnen aus der Dose, eine Packung Brot, Tee und Eier für Dad, Milch, Milchpulver, Windeln, Babynahrung und Feuchttücher für Sammy. Außerdem habe ich Mülltüten, Toilettenpapier, Spülmittel, Seife und Zahnpasta gekauft.
Ich wische Sammys Stuhl ab und setze ihn mit einer Rassel und einem Schälchen Brei hinein.
Dann bereite ich mir eine Tasse Tee zu und mache mich an die Arbeit.
Je länger ich schrubbe und putze, umso mehr finde ich zu tun. Beim Abwasch stelle ich fest, dass das Abtropfgitter völlig verdreckt ist und dringend abgeschrubbt werden muss. Und als ich den Müll hinausbringe, dämmert mir, dass Dad die Tonne seit Genovevas Verschwinden nicht mehr an den Straßenrand gezogen hat, also zerre ich sie, gemeinsam mit den vollen Mülltüten, den Kiesweg entlang bis zum Bürgersteig.
Ich wasche zwei Maschinen mit Sammys Sachen, bevor ich mich an Dads Kleider machen kann. Um zehn Uhr morgens bin ich völlig verschwitzt und schmutzig, und mein Haar steht wild vom Kopf ab. Aber im Haus sieht es schon viel besser aus, und das gibt mir ein gutes Gefühl.
Das Wohnzimmer ist mittlerweile sauber genug, dass Sammy auf dem Boden herumkrabbeln kann, und er entwickelt beachtlichen Ehrgeiz, sich am Sofa hochzuziehen, stets mit einem seiner Spielzeuge im Mund.
Irgendwann höre ich Dad oben rumoren und mache mich an die Zubereitung unseres Frühstücks – Bohnen mit Toast und Spiegelei.
Beim Anblick des blitzblanken Wohnzimmers und des gedeckten Frühstückstisches erhellen sich seine Züge.
»Es ist so schön, dass du hier bist, Schatz«, sagt er, sichtlich gerührt. »Wie man sieht, ist mir der Haushalt komplett über den Kopf gewachsen.« Er setzt sich an den Tisch.
»Ist schon gut, Dad. Du hattest es in letzter Zeit nicht leicht.«
»Du bist die beste Tochter, die sich ein Vater nur wünschen kann. Das weißt du, oder?«
»Ach, so weit würde ich nicht gehen. Ich hätte schon viel früher nach dir sehen müssen.«
»Das sieht herrlich aus, Schatz, das erste anständige Frühstück diese Woche.«
»Was hast du denn sonst gegessen?«, frage ich, obwohl ich mich in Wahrheit vor der Antwort fürchte.
»Ach, billiges Sandwich mit Speck aus der Frittenbude
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